Energiewende: Die Sonne schickt keine Rechnung?

Energiewende: Die Sonne schickt keine Rechnung?

„Die Sonne schickt keine Rechnung, der Wind auch nicht“ so die landläufige Meinung, die auch von manchen Experten geteilt wird. Tatsächlich sind die variablen Kosten für die Produktion von Sonnen- und Windenergie fast null. Im Gegensatz dazu fallen bei anderen Stromerzeugungsarten Kosten für die Energieträger wie Öl, Gas, Wasserstoff oder nukleare Brennstäbe für jede produzierte Energieeinheit an.

Zwar schickt die Sonne keine Rechnung, doch der Ausstieg aus Kohle- und Atomstromerzeugung sowie deren Ersatz durch erneuerbare Energien führt nicht zwangsläufig zu niedrigeren Preisen. Steigende CO2-Preise machen den Ausbau erneuerbarer Energien attraktiver. Von den geringen variablen Kosten werden die Stromkunden allerdings kaum profitieren.

Die Strombörse

Wie viele andere Erzeugnisse wird auch Strom in Deutschland an der Börse gehandelt und außerhalb der Börse ge- und verkauft. Der Börsenpreis ist dabei langfristig ein sehr guter Proxy für die Preise bei Geschäften außerhalb der Börse. Schließlich könnten Preisunterschiede von findigen Akteuren gewinnbringend ausgenutzt werden.

An der Strom-Börse treffen Angebot und Nachfrage aufeinander. Deutschland bildet zusammen mit Luxemburg einen gemeinsamen Strommarkt, auf dem ein einheitlicher Börsenpreis gilt. Gehandelt werden Stromlieferungen für den aktuellen Tag und für den Folgetag.

Im Wettbewerb setzen sich Kraftwerke mit geringen variablen Kosten gegenüber Kraftwerken mit höheren variablen Kosten durch. So kommen zunächst die Kraftwerke bei der Deckung der Stromnachfrage zum Zuge, die die niedrigsten variablen Kosten haben. Dieses Phänomen wird auch „Merit-Order-Effekt“ genannt. Der aus dem Zusammenspiel von Nachfrage und Angebot resultierende Preis stellt sicher, dass die Stromerzeugung insgesamt den geringstmöglichen Verbrauch von Ressourcen seitens der Anbieter verursacht.

Aufgrund der sehr niedrigen variablen Kosten stehen die erneuerbaren Energien weit vorn in der „Merit-Order“. Es folgen Müllverbrennungsanlagen und die Kernenergie, deren variable Kosten ebenfalls relativ gering sind. Die nächstgünstigsten Kraftwerke sind Braunkohlekraftwerke, Gas- und Dampf-Kombikraftwerke und Steinkohlekraftwerke. Relativ teuer sind Gaskraftwerke. Die höchsten variablen Kosten haben schließlich Ölkraftwerke. Der Preis, der sich an der Börse durch die Interaktion von Angebot und Nachfrage ergibt, entspricht den variablen Kosten des letzten Kraftwerks, das von der Nachfrageseite noch erfolgreich zur Stromerzeugung und Strombereitstellung angeregt wird.

An sehr sonnigen und windreichen Tagen kann das letzte benötigte Kraftwerk auch ein Erneuerbares sein. Wie in der Grafik anhand des ersten Beispiels veranschaulicht, ist der Strompreis null, wenn die Stromnachfrage komplett durch erneuerbare Energien mit kaum anfallenden variablen Kosten abgedeckt werden kann. In der Regel reicht die Erzeugung durch erneuerbare Energien allerdings nicht aus, um den Bedarf zu decken. Dann ist eines der konventionellen Kraftwerke das „letzte“ Kraftwerk, dessen variablen Kosten den Strompreis an der Börse bestimmen.

„Merit-Order-Effekt“ und der Kernkraft- und Kohleausstieg

Ein höherer Anteil erneuerbarer Energien verdrängt teure konventionelle Kraftwerke, die schließlich weniger oft für die Deckung der Nachfrage benötigt werden. Die Verdrängung von (konventionellen) Kraftwerken mit hohen variablen Kosten durch (erneuerbare) Kraftwerke mit geringen variablen Kosten führt für sich zu geringeren Strompreisen an der Börse.

Doch der erhoffte preissenkende Effekt des Merit-Order-Effekts wird ausbleiben. Denn die Pläne zur Energiewende belassen es nicht dabei, lediglich die Kraftwerkskapazitäten erneuerbarer Energien zu erhöhen, welche die konventionellen Kraftwerke verdrängen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgt in Kombination mit einem steigenden CO2-Preis und der politischen Entscheidung gegen Kern- und Kohlekraft und für Gaskraftwerke.

Zwar steigt durch den Ausbau der erneuerbaren Energien der Anteil der Stunden, in denen der gesamte Strombedarf durch erneuerbare Energien bereitgestellt werden kann und in diesen Stunden ist der Strompreis tatsächlich dank der niedrigen variablen Kosten sehr gering. Allerdings sollen in Zukunft vor allem Gaskraftwerke die Lücke füllen, wenn nicht 100 Prozent des Strombedarfs allein durch Wind und Sonnenkraftwerke bereitgestellt werden können. Gaskraftwerke haben relativ hohe variable Kosten, vor allem im Vergleich mit Kernkraft-, Braun- und Steinkohlekraftwerken. Werden letztere im Zuge der Energiewende abgeschaltet und durch Gaskraftwerke ersetzt, ist in Zukunft mit höheren Strompreisen zu rechnen, da häufig ein relativ teures Gaskraftwerk das preissetzende Kraftwerk sein wird.

Mehr erneuerbare Energien und höherer CO2-Preis

Steigende CO2-Preise machen den Einsatz erneuerbarer Energien im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken – mit Ausnahme von Kernkraftwerken – attraktiver. Doch steigen damit ebenso die variablen Kosten des konventionellen Kraftwerks, das als letztes eingesetzt werden muss, um den Strombedarf zu decken.

Das Paradoxe: Durch die Maßnahmen im Rahmen der Energiewende wird insgesamt der Strom durch den vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien mit geringeren variablen Kosten produziert, der Börsenpreis dagegen steigt. Ja, die Sonne schickt keine Rechnung, doch der Börsenpreis wird auch in Zukunft vor allem durch teure konventionelle (Gas-)Kraftwerke bestimmt, die den zusätzlichen Bedarf decken.

Erschienen bei: IREF. 

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