Im Zuge der Rettung der Lufthansa-Tochter Austrian Airlines kündigte der österreichische Bundeskanzler Kurz einen Mindestpreis für Flugtickets an. Zukünftig sollen in Österreich keine Flugtickets für weniger als 40 Euro verkauft werden. Damit wolle man „gewissen Exzessen“ und deren sozialen und ökologischen Folgen einen Riegel vorschieben, wie der österreichische Vizekanzler Werner Kogler erläuterte. Doch dem angesichts des europäischen Emissionshandels begrenzten ökologischen Nutzen eines Mindestpreises für Flugreisen stehen unerwünschte soziale Folgen gegenüber. Der geplante Eingriff ist angesichts der formulierten Ziele kein attraktives Instrument.
Fliegen und das Klima
Die Klimaproteste der vergangenen Monate haben auch in Deutschland eine neue Debatte über die Klimaschädlichkeit des Fliegens angestoßen. So wurden ein Verbot innerdeutscher Flüge, Mindestpreise und weitere Beschränkungen diskutiert.
Viele dieser Vorschläge blenden aus, dass mit dem seit 2005 existierenden europaweiten Zertifikatehandel für Emissionsrechte bereits eine umfassende Maßnahme die CO2-Menge in der EU in ausgewählten energieintensiven Industrien deckelt. Der innereuropäische Flugverkehr gehört dazu. Der „CO2-Deckel“ ist keine für den Flugverkehr spezifische Maßnahme. Auch andere energieintensive Branchen sind einbezogen. Der Deckel wird jährlich abgesenkt. Gemeinsam mit anderen Industrien unterliegt der innereuropäische Flugverkehr also schon heute einer absoluten CO2-Mengenbegrenzung. Ein Mindestpreis, der zu weniger Flügen führt, hätte für innereuropäische Flüge keine positiven klimatischen Effekte. Andere Emittenten würden die nicht im Flugverkehr eingesetzten Emissionsrechte nutzen. Die Menge der gesamten Emissionen der abgedeckten Industrien bliebe konstant.
Halb leere Flieger?
Für Flüge, die nicht Teil der CO2-Mengenbegrenzung durch den europäischen Zertifikatehandel sind, also Mittel und -Langstrecken Flüge von und in das nichteuropäische Ausland, können Mindestpreise die Emissionen reduzieren. Doch auch hier ist die Rechnung nicht ganz so einfach, wie Erfahrungen aus den USA vor der Deregulierung des US-Flugmarkts in den 1980er Jahren zeigen.
Eine staatliche Behörde, das Civil Aeronautics Board, regulierte unter anderem, welche Airline zu welchen Konditionen Flüge durchführen durfte. Airlines durften erwartete freie Kapazitäten nicht zu niedrigeren Preisen anbieten. Fluggesellschaften reagierten darauf, indem sie Kunden mehr und mehr Annehmlichkeiten bereitstellten, wie etwa eine hochwertige Verpflegung, umfangreicheren Service an Bord oder mehr Beinfreiheit – Fliegen war ein angenehmer, aber teurer Luxus. Schließlich blieben viele Plätze schlicht unbesetzt und Flugzeuge starteten „halbleer“. So lag die Auslastung im Jahr 1975 in den USA bei gerade einmal 53 Prozent. Zum Vergleich: Im Mai 2019 lag die Auslastung in Europa bei 83,7 Prozent. Die Auslastung lag in Europa damit leicht über dem weltweiten Mittelwert und wurde mit 86,1 Prozent nur in Nordamerika übertroffen.
Fliegen durch einen wie in Österreich geplanten Mindestpreis weniger Personen, ist damit zu rechnen, dass nicht nur die Anzahl der Flüge zurückgehen würde, sondern auch deren durchschnittliche Auslastung. Ein Auslastungsrückgang von Flügen würde der möglichen Reduzierung von CO2-Emissionen durch eine Reduzierung der Anzahl von Flügen entgegenwirken. Denn der relative Rückgang der Anzahl durchgeführter Flüge fällt weniger stark aus als der relative Rückgang der Anzahl an Fluggästen, wenn die Auslastungsquote sinkt.
Mögliche Mindestpreise für innereuropäische Flüge sind hinsichtlich der CO2-Emissionen also wirkungslos, während die möglichen CO2-Einsparungen durch Mindestpreise für außereuropäische Flüge umso niedriger ausfallen, je stärker die Auslastung der Flugzeuge zurückgeht.
Mindestpreis sozial?
Die verbleibenden klimapolitischen Vorteile sind gegen sozialpolitische Nachteile aufzuwiegen. Ein Mindestpreis kann nur dann eine klimapolitische Wirkung erzielen, wenn potentielle Kunden von einer Flugreise abgehalten werden. Das sind zunächst Personen mit einer relativ geringen Zahlungsbereitschaft für Flüge. Unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten kann es sich dabei um Personen handeln, die eine geringe Wertschätzung für die Beförderung via Flugzeug haben, etwa weil sie nur einen schwachen Reisewunsch haben, von Flugangst geplagt sind oder Flugreisen aus ökologischen Gründen vermeiden wollen.
Aber auch die finanziellen Möglichkeiten potentieller Fluggäste spielen eine Rolle. So ist ein Mindestpreis für Geschäftskunden, die häufig kurzfristige und flexible Buchungen zu relativ hohen Preisen nutzen, wenig relevant. Ein Mindestpreis würde ihr Flugverhalten kaum beeinflussen. Ähnliches gilt für gutverdienende privat fliegende Gäste. Ein Mindestpreis würde weniger wohlhabende Menschen stärker von Flugreisen abhalten. Heute bezahlen Menschen mit überschaubaren monetären Budgets für die Mobilität via Flugreise teilweise, indem sie auf zeitliche Flexibilität verzichten und weit im Voraus buchen. Diese Möglichkeit schränkt ein Mindestpreis für Flüge ein. Eine soziale Verbesserung stellt sich dadurch wohl kaum ein.
Mindestpreis in Österreich: Freude bei der Lufthansa?
Ausgeprägte positive ökologische und soziale Wirkungen des in Österreich geplanten Mindestpreises für Flugtickets sind nicht zu erwarten. Zudem irritiert, dass eine als „sozial und ökologisch deklarierte“ Politikmaßnahme im Zuge eines Rettungspakets für die Lufthansa-Tochter Austrian Airlines verkündet wurde.
Dass Lufthansa-Chef Carsten Spohr den geplanten Mindestpreis als Modellcharakter über Österreich hinaus preist und „zu billige Tickets unverantwortlich“ findet, überrascht zumindest nicht. Die Lufthansa und ihre Tochter Austrian Airlines wären als Premiumanbieter mit einem hohen Anteil Geschäftsreisender schwächer von Mindestpreisen betroffen als Ryanair, Easyjet und Co. Es liegt nahe, dass die Freude des Lufthansa-Chefs nicht nur auf die gepriesenen ökologischen Auswirkungen zurückzuführen ist, sondern auch mit Blick auf den kräftigen Schlag zu erklären ist, den Mindestpreise der Konkurrenz der Lufthansa versetzen würden.
Zertifikatehandel ausweiten
Sowohl unter ökologischen als auch sozialen Gesichtspunkten ist ein Mindestpreis kein attraktives Instrument. Soll der Flugverkehr einen größeren Beitrag zum Klimaschutz leisten, könnte zum einen die jährliche Absenkung des CO2-Deckels im europäischen Zertifikatehandel beschleunigt werden. Zum anderen könnte die Ausweitung des Zertifikatehandels mit anderen Ländern vorangetrieben werden. So ist seit Januar 2020 das schweizerische Emissionshandelssystem mit dem europäischen System verbunden und damit Flüge zwischen der Schweiz und den Ländern der EU sowie Island, Lichtenstein und Norwegen in den Zertifikatehandel eingebunden.
Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.