Korruption: Eine Plage auch in Europa

Korruption: Eine Plage auch in Europa

In Reaktion auf Covid-19 werden von Regierungen schnell umfangreiche Hilfsmittel bereitgestellt. Diese rufen jedoch nicht nur hilfsbedürftige Haushalte und Unternehmen auf den Plan, sondern auch Opportunisten. So rechnet die OSZE im Zuge der Hilfsmaßnahmen mit mehr Korruption. Dass diese Gefahr jedoch nicht in allen Ländern gleich groß ist, legen deutliche Unterschiede des Ausmaßes von Korruption außerhalb von Krisenzeiten nahe. Auch in Europa, wo Korruption im Vergleich zu anderen Weltregionen insgesamt relativ schwach verbreitet ist, sind die Unterschiede hinsichtlich der Verbreitung von Korruption von Land zu Land teilweise erheblich. In skandinavischen Ländern wird das Leben von Menschen durch Korruption der öffentlichen Hand nur wenig erschwert. In einigen Ländern Ost- und Südeuropas ist die Situation heute verfahrener, aber nicht aussichtslos, wie die positive Entwicklung der letzten Jahre in Ländern wie Estland illustriert.

Wahrnehmung von Korruption: Daten 

Als wie stark verbreitet Korruption der öffentlichen Hand in Ländern wahrgenommen wird, zeigen Daten zu „control of corruption“, die die Weltbank im Rahmen ihrer Beurteilung staatlicher Governance bereitstellt. Dafür fasst die Weltbank Antworten von Bürgern, Unternehmen und Experten aus einer Vielzahl von Umfragen durchgeführt von Meinungsforschungsinstituten, Denkfabriken, Nichtregierungsorganisationen und internationalen Organisationen seit 1996 für über 200 Länder weltweit in einer Zahl zusammen.

Wenig Korruption in Finnland

Nach den jüngsten Daten wurde Korruption in der Gruppe der EU-Länder und weiterer westeuropäischen Staaten als am schwächsten verbreitet in Finnland und als am stärksten verbreitet in Bulgarien wahrgenommen. 

Alle skandinavischen Länder schneiden besonders gut ab. In einigen Ländern Osteuropas und in Spanien, Griechenland und Italien hingegen wird Korruption im öffentlichen Sektor als relativ weit verbreitet wahrgenommen. Die beiden größten Länder der EU, Deutschland und Frankreich, liegen im oberen Mittelfeld.

1996 vs. 2018: Ernüchternde Entwicklung in Ungarn

Die Gegenüberstellung der Werte von 1996 und 2018 illustriert einerseits, dass das Ausmaß des Problems der Korruption recht persistent ist. Andererseits zeigt der Vergleich auch, dass deutliche Veränderungen über die Zeit möglich sind, also ein hohes Ausmaß an Korruption ebenso wenig Schicksal ist, wie ein niedriges Ausmaß vor einer Verschlechterung schützt.

Seit 1996 fällt die Verbesserung in Estland am stärksten aus. Am ernüchterndsten sind die Entwicklungen hingegen in Zypern und Ungarn. Aber auch in Portugal und Spanien hat sich die Situation merklich verschlechtert. In Schweden, Finnland, der Schweiz, Deutschland und Frankreich sind über den Zeitraum von über 20 Jahren kaum Veränderungen zu verzeichnen.

Korruption forciert Ressourcenverschwendung

Im Kontext der öffentlichen Hand beschreibt Korruption den Missbrauch eines staatlichen Amtes zum privaten Vorteil. Dabei werden nicht notwendigerweise Gesetze gebrochen. Korruption liegt auch dann vor, wenn mit öffentlichen Aufgaben betraute Personen innerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens nach ihrem privaten Nutzen streben und dadurch der Allgemeinheit schaden.

Empirische Hinweise auf negative Konsequenzen sind zahlreich, zum Beispiel für Unternehmensinvestitionen, den internationalen Handel, den Verbleib von Hochqualifizierten, die Robustheit öffentlicher Haushalte und den Ausbildungsstand der Bevölkerung. Gesellschaftlichen Schaden verursachen korrupte Strukturen auch dadurch, dass sie die produktive Verwendung realer Ressourcen weniger attraktiv machen. Je weiter Korruption verbreitet ist, desto weniger haben Menschen einen Anreiz, Ressourcen und Zeit einzusetzen, um Neues entstehen zu lassen, zu investieren oder sich fortzubilden. Derart produktiv zu sein, lohnt sich weniger, wenn korrupte Staatsdiener einen Teil der Früchte der Arbeit abknapsen. Im Gegenzug haben Menschen einen stärkeren Anreiz, Ressourcen und Zeit auf Aktivitäten zu verwenden, die als unproduktiv zu bezeichnen sind, da sie dem Zweck dienen, von korrupten Strukturen ebenfalls profitieren zu können. 

Erfolge in Estland 

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die obigen Daten auf eine recht konstante Verbreitung des Phänomens Korruption in einzelnen Ländern über die Jahre hinweisen. In einem Gleichgewicht geprägt von wenig Korruption ist die produktive Verwendung von Ressourcen besonders lohnenswert, während der unproduktive Einsatz von Ressourcen wenig vielversprechend ist. Gegenteiliges gilt für ein Land in einem Gleichgewicht geprägt von massiver Korruption. Die Umstände guter und schlechter Gleichgewichte tragen so zu ihrem Erhalt bei.

Dennoch schaffen es manche Gesellschaften aus Gleichgewichten mit massiver Korruption auszubrechen. In den 1990er Jahren wurde auf internationaler Ebene die Einrichtung von unabhängigen Antikorruptionsbehörden forciert. Lettland und Litauen richteten entsprechende Behörden ein, um die Korruptionsvorgaben für einen EU-Beitritt zu erfüllen.

Das in der Korruptionsbekämpfung besonders erfolgreiche Estland dagegen führte keine unabhängige Behörde ein, sondern siedelte die Korruptionsbekämpfung in den jeweiligen Behörden unter Leitung des Innenministeriums an. 

Estland ist heute gemäß Daten der Heritage Foundation eines der 10 wirtschaftlich freisten Länder der Welt. Die Abwesenheit von übermäßig komplexen Vorschriften reduziert die Gelegenheit für Korruption. Möglicherweise trug auch das in Estland umfangreich eingeführte E-Government zur Reduzierung von Korruption bei. Werden Anträge elektronisch erfasst und bearbeitet, wird etwa die Einflussnahme von Beamten zum eigenen Vorteil erschwert. Schließlich wird das niedrige Korruptionsniveau und die in den 2000er Jahren ergriffenen Maßnahmen in Estland auf den Druck der Öffentlichkeit zurückgeführt, die nicht bereit war, ein hohes Korruptionslevel zu tolerieren. Wird Korruption von einer Vielzahl von Menschen nicht mehr als legitim angesehen, wird sie zurückgedrängt und auch politische Entscheidungsträger haben einen Anreiz, auf Veränderungen sozialer Normen zu reagieren und wirksame Antikorruptionsmaßnahmen anzustreben. 

Kein Patentrezept, aber verhaltener Optimismus angebracht

Ein Patentrezept für die Bekämpfung der Korruption gibt es nicht. Doch die Entwicklung in Ländern wie Estland gibt Anlass zu verhaltenem Optimismus, zumindest für die Zeit nach der pandemiebedingten Krise. Relativ weit verbreitete Korruption, die weiterhin beispielsweise in Italien und Griechenland sowie in mehreren osteuropäischen Ländern wahrgenommen wird, kann erfolgreich begegnet werden, wenn Bürger, zivilgesellschaftliche Organisationen und Vertreter des politischen Betriebs auf ihre Bekämpfung drängen.

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Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.

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