Umweltdesaster DDR: Bitteres aus Bitterfeld

Umweltdesaster DDR: Bitteres aus Bitterfeld

Die DDR-Führung sah sich gern in der Rolle des Vorreiters in Sachen Umweltschutz. Die DDR schrieb bereits im Jahr 1968 den Umweltschutz als Staatsziel in der Verfassung fest und gründete 1972 – bereits 15 Jahre vor der Bundesrepublik – ein eigenes Umweltministerium. Die Realität der Umweltsituation in der DDR war von diesem Anspruch allerdings weit entfernt. Umweltschäden wie hohe Verschmutzungen von Luft und Wasser waren alltäglich und wirkten sich negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung aus. 

Die hohe Umweltbelastung war dabei nicht etwa der Preis für einen höheren materiellen Wohlstand, sondern ein Resultat von verschwenderischer Produktion, Wasser- und Energieversorgung. Obwohl die Wirtschaftsleistung der DDR pro Person im Jahr 1989 nur etwa 60 Prozent der Wirtschaftsleistung der BRD betrug, war das Ausmaß der Umweltverschmutzung deutlich ausgeprägter. Seit der Wiedervereinigung hat sich die Umweltsituation in Ostdeutschland stark verbessert. 

Verschmutzung der Gewässer und des Trinkwassers

Das Gebiet der ehemaligen DDR ist nicht sehr regenreich. Ein sparsamer Umgang mit Wasser wäre daher für eine gute Trinkwasserversorgung notwendig gewesen. Das Gegenteil war allerdings der Fall. Nur zwei Drittel des Trinkwassers kam bei den Verbrauchern an. Der Rest versickerte im maroden Leitungssystem. Berichte des Ministeriums für Staatssicherheit beschreiben die Rohrbruchhäufigkeit in der DDR als eine der „höchsten der Welt“.

Auch die Wideraufbereitung von Wasser wurde vernachlässigt. Die Kläranlagen der DDR waren veraltet und setzten zum Teil nur eine „mechanische“ Reinigung der Abwässer mit Rechen und Absetzbecken ein. Auch das Abwassersystem war hoffnungslos überaltert. Im Jahr 1989 stammten 32 Prozent der Abwasserkanäle aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Weitere 22 Prozent stammten aus der Kaiserzeit. Statistisch kam es pro Jahr auf jedem Kilometer DDR-Abwasserkanal zu einer Havarie. 

Schließlich wurde die Ressource Wasser vor allem von Industriebetrieben stark beansprucht und teilweise unaufbereitet wieder Flüssen zugeleitet. Auch Haushaltsabwässer wurden nicht oder nur unzureichend in Klärwerken behandelt. Diese Verhältnisse trugen dazu bei, dass jeder zweite größere Fluss der DDR biologisch tot war. Teilweise waren die Flüsse derart durch Chemikalien der Industrie vergiftet, dass sogar Bootsfahrten auf ihnen untersagt wurden. 

Infolge von Übernutzung und mangelhafter Aufbereitung konsumierten viele Bürger der DDR hoch belastetes Trinkwasser. Im Jahr 1989 wurden 9,6 der gut 16 Millionen DDR-Bürger mit Trinkwasser versorgt, das nicht dem Weststandard genügt hätte. Etwa ein Drittel der Bevölkerung erhielt „zeitweilig bakteriologisch nicht einwandfreies Trinkwasser.“ Für die Bevölkerung hatte dies unter anderem eine höhere Verbreitung von Durchfallerkrankungen zur Folge.

Verschwendung von Energie

Nicht nur mit der Ressource Wasser wurde in der DDR wenig schonend umgegangen. Die DDR verfügte über nennenswerte Braunkohlevorkommen, die sie ausgiebig erschloss. Die DDR deckte in ihrer späten Phase über 80 Prozent des Energiebedarfs mit Braunkohle. Der Wirkungsgrad der Braunkohleverstromung war allerdings sehr gering. Nur etwa 20 Prozent des Energiegehalts konnte in Strom umgewandelt werden. Die restlichen 80 Prozent der verfeuerten Kohle entwichen ungenutzt in die Atmosphäre. Der Wirkungsgrad vergleichbarer Braunkohlekraftwerke in der BRD war mit 35 bis 38 Prozent fast doppelt so hoch. Für die Erzeugung einer Einheit Sozialprodukt setzte die DDR bis zu 50 Prozent mehr Primärenergie ein als westliche Industriestaaten. 

CO2 in der DDR: Pro-Kopf-Emissionsriese

Der hohe und ineffiziente Energieeinsatz in der DDR-Planwirtschaft führte dazu, dass in den 70er und 80er Jahren der CO2-Ausstoß der DDR pro Kopf einer der höchsten der Welt war. 

Das US-Energieministerium stellt sowohl für die BRD als auch die DDR Schätzungen zu CO2-Emissionen durch die Nutzung fossiler Energie wie Kohle, Öl und Gas sowie der Produktion von Zement von 1950 bis 1990 zur Verfügung. Dabei wurden sowohl für die BRD als auch für die DDR mit der gleichen Methode die CO2-Emissionen geschätzt. Während im Jahr 1950 die Emissionen pro Kopf noch recht nah beieinander lagen, stiegen die Emissionen im Laufe der Zeit in der DDR stärker als in Westdeutschland. So wurden pro Kopf in Westdeutschland im Jahr 1990 knapp 11,5 Tonnen CO2 und in Ostdeutschland über 19 Tonnen pro Jahr emittiert. 

Werden die Emissionen ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt, fällt die Bilanz für die DDR noch ernüchternder aus. Im Jahr 1989 wurde für jede Einheit BIP in der DDR mehr als dreimal so viel CO2 emittiert wie für die Herstellung von Waren und Dienstleistungen in der BRD. 

Luftverschmutzung 

Die Nutzung der Braunkohle zur Stromerzeugung setzte nicht nur CO2 frei, sondern auch andere Gase, welche die Umwelt verschmutzten und die Gesundheit der DDR-Bürger gefährdeten. Den technisch veralteten Braunkohlekraftwerken fehlten moderne Anlagen zur Rauchgasentschwefelung, weil die DDR-Industrie diese nicht selbst herstellen konnte und die SED fürchtete, mit Technologieimporten in westliche Abhängigkeit zu geraten. Im Jahr 1989 stieß die DDR infolge 15-mal so viel Schwefeloxide pro Einwohner aus wie die Bundesrepublik.

In privaten Haushalten wurde zur Wende noch fast zwei Drittel aller Wohnungen mit festen Brennstoffen wie Braunkohlenbriketts beheizt. Auch diese erhöhten die Belastung mit Schwefeloxiden. 

Außerdem emittierten die Kohleöfen in den Wohngebäuden und die Kohlekraftwerke erhebliche Schwebstaubmengen, darunter auch den heute viel diskutierten Feinstaub. Pro Quadratkilometer lag die durchschnittliche Belastung von 20,3 Tonnen Schwebstaub bei mehr als dem zehnfachen Wert Westdeutschlands. Die hohe Schwebestaubbelastung wurde zu 55 Prozent durch die Energieerzeugung verursacht. 

Die direkten Gesundheitsgefahren der Luftverschmutzung, die zu Reizung der Schleimhäute und Atembeschwerden führen können, waren besonders in den großen Industriezentren von Halle, Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt zu spüren. Die am Boden niedergegangenen Stäube trugen Umweltgifte wie Blei und Cadmium mit sich. So gelangten Schwermetalle in die Nahrungskette der DDR.

Die Belastung mit Stickoxiden war in der DDR pro Quadratkilometer leicht unter der Belastung in Westdeutschland. Durchschnittlich wurde jeder Quadratkilometer der DDR im Jahr 1988 mit 3,8 Tonnen Stickoxiden belastet, im Vergleich zu 4,1 Tonnen in Westdeutschland. Das liegt vermutlich daran, dass Stickoxide vor allem durch den Straßenverkehr verursacht werden, der angesichts des Mangels an Fahrzeugen in der DDR deutlich geringer ausfiel. 

Die DDR-Führung sah durchaus Handlungsbedarf. Der günstigste und letztlich eingeschlagene Weg, um die lokale Luftqualität zu verbessern, war es, die Schornsteine der Industrie und der Kohlekraftwerke höher zu bauen. So konnten dank kräftigen Westwindes gut 15 Prozent der Schwefeldioxidemissionen in Nachbarländer „exportiert“ werden

Vertuschung durch die DDR-Führung

In der Öffentlichkeit vermittelte die SED-Führung zweifellos ein positiveres Bild der Umweltsituation. Über die hohen Umweltbelastungen in der DDR durften die Medien nicht berichten. Sogar bei gesundheitsgefährdenden Schadstoffkonzentrationen in der Luft untersagte die SED-Führung die Auslösung von Smog-Alarm.

Es passt ins Bild, dass gesundheitliche Gefahren durch die erhöhte Strahlenbelastung nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl von der SED-Führung ebenfalls negiert und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen als „politische Unsicherheiten“ behandelt wurden.

Umwelt nach der Wende: „Blühende Landschaften“

Die DDR hat gezeigt, dass Raubbau an Naturressourcen und Umweltzerstörung, anders als von der SED propagiert, kein spezifisches Phänomen der vermeintlich rücksichtslosen Profitmaximierung im kapitalistischen System ist. Offensichtlich gab und gibt es auch in marktwirtschaftlich geprägten Ländern wie der BRD Umweltprobleme. Der demokratische und marktwirtschaftliche Teil Deutschlands scheint allerdings deutlich erfolgreicher seine Umwelt geschützt zu haben als der sozialistische Staat.

So ist es nicht erstaunlich, vielmehr sehr erfreulich, dass die friedliche Revolution 1989 nicht nur Freiheit und Demokratie gebracht hat, sondern auch einen verantwortlicheren Umgang mit der Natur. Wirtschaftlich liegt der Osten Deutschlands weiterhin hinter dem Westen zurück, doch die Landschaften blühen im Osten heute in weiten Teilen wieder nicht weniger schön.

Erschienen bei: IREF. Mitautoren: Dr. Alexander Fink & Alexander Mengden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert