MINDESTPREISE FÜR LEBENSMITTEL?

MINDESTPREISE FÜR LEBENSMITTEL?

„Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben, sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima. Das will ich ändern“, sagte der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir Ende Dezember der Bild am Sonntag. Wenige Tage später teilte er dem Redaktions Netzwerk Deutschland (RND) mit, es werde geprüft den Verkauf von Lebensmitteln unterhalb der Produktionskosten zu untersagen: „Die großen Player dürfen nicht mehr länger die Preise diktieren und Margen optimieren“.

Tatsächlich kann die Preisfindung bei Lebensmitteln durch inadäquate Rahmenbedingungen verzerrt sein. So könnten unberücksichtigte externe Kosten bei der Produktion, Subventionen oder Marktmacht die korrekte Preisfindung verzerren. Mindestpreise, die eine weitere Verzerrung der Preisfindung darstellen, sind allerdings kein geeignetes Instrument, um diese Probleme zu beheben, sondern verteilen ökonomische Gewinne zu Lasten der Verbraucher um. Vielmehr sollten sie direkt adressiert werden, indem bestehende Verzerrungen abgebaut werden.

Lebensmittelpreise im internationalen Vergleich nicht besonders niedrig

Dass Lebensmittelpreise in Deutschland nicht außergewöhnlich niedrig sind, lässt sich am Preisniveauindex für Lebensmittel von Eurostat aus dem Jahr 2020 erkennen. Das Preisniveau liegt leicht über dem EU-Durchschnitt und beispielsweise über dem der Niederlande oder dem Vereinigten Königreich.

Sollte der Landwirtschaftsminister dennoch höhere Preise durchsetzen wollen, dann stehen ihm zwei direkt wirkende Instrumente zur Verfügung. Greenpeace etwa fordert eine höhere Mehrwertsteuer für tierische Lebensmittel. Das erhöht die Preise für die Endverbraucher oder drückt die Marge der Produzenten. Dass eine höhere Besteuerung Investitionsanreize in Klimaschutz oder Tierwohl setzt, ist allerdings nicht plausibel. Diese Lösung ist kaum im Interesse der Landwirte. Özdemir präferiert offenbar Mindestpreise, denen vermutlich auch die Bauernlobby eher zugeneigt ist.

Bestehende Verzerrungen abbauen

Entstehen bei der Produktion Umweltschäden, für die der Erzeuger nicht aufkommen muss, dann müssen effektiv Dritte für diese Kosten aufkommen und das Produkt wird tatsächlich „zu günstig“ angeboten. Ein Weg extern anfallende Kosten, etwa in Klimafragen, zu berücksichtigen, wäre die Ausweitung des Europäischen Emissionshandels. Würde die Landwirtschaft miteinbezogen, wären ihre Klimaauswirkungen miteingepreist.

Der Agrarsektor erfreut sich zudem über massive Subventionen seitens der EU. Von 2021 bis 2027 plant die EU knapp 20 % und damit 373,9 Mrd. € ihres Haushaltes für Landwirtschaft auszugeben. Zwischen 2014 und 2020 betrug der Anteil der Agrarsubventionen sogar noch über 37 %. Diese Subventionen verhindern, dass Erzeuger den Markt verlassen und sorgen entsprechend für ein höheres Angebot und niedrigere Preise. Naheliegend wäre es, diese überwiegend schädlichen und preisverzerrenden Subventionen abzubauen. Höhere und damit adäquate Preise würden sich dann von allein einstellen. Ein Mindestpreis würde im Gegensatz dazu eine noch höhere Produktion anregen.

Schließlich könnte die Marktmacht der Einzelhändler, wie der Bundeslandwirtschaftsminister andeutet, zu niedrigen Preisen führen. Dieser Frage hat sich das Bundeskartellamt ausführlich gewidmet. Die Bonner Behörde hat eine umfassende Analyse der Beschaffungsmärkte des Lebensmitteleinzelhandels durchgeführt. Tatsächlich konzentriert sich die Beschaffung bei fünf größeren Unternehmen, nämlich Edeka, Rewe, Schwarz Gruppe (Lidl und Kaufland) und Aldi. Insgesamt zeigt die Untersuchung wenig überraschend, dass höhere Abnahmemengen zu besseren Konditionen führen. Doch auch die Erzeuger sind keinesfalls nur kleinere und mittelständische Unternehmen, wie das Bundeskartellamt feststellt. Auch auf der Erzeugerseite konzentriert sich das Angebot auf eine Spitzengruppe von lediglich vier Anbietern. Eine systematische wettbewerbsverzerrende Struktur möchte das Bundeskartellamt nicht attestieren, vielmehr käme es auf den Einzelfall an und es verweist auf seine bestehenden Instrumente, wie etwa der Fusionskontrolle. Beschwerden über missbräuchliches Verhalten erreichen die Behörde zudem vor allem im hochpreisigen Markensegment und nicht bei Discountwaren, deren niedrige Preise in der Kritik stehen.

Mindestpreise: Überbringer der falschen Botschaft 

Preise sind weder gut noch schlecht, sondern Überbringer von Informationen. Marktpreise signalisieren relative Knappheit. Sie tragen dafür Sorge, dass tendenziell nur so viel produziert wird, wie Nachfrager auch abzunehmen bereit sind. Die durch Preise vermittelten Informationen können für die Marktteilnehmer selbstverständlich sowohl gute als auch schlechte Nachrichten bedeuten. Anbieter freuen sich in der Regel über hohe, Nachfrager hingegen über niedrige Preise. Das Lamento der Anbieter über vermeintlich zu niedriger Preise verwundert daher nicht.

Mindestpreise zerstören den Informationsgehalt der Preise. Anbietern signalisieren sie, dass sich eine Produktionsausweitung lohnt und Konsumenten schränken aufgrund höherer Preise ihren Konsum ein. Die Auswirkungen von Mindestpreisen sind wohl bekannt. Die damalige EWG kaufte ab den 1960er Jahren Überschüsse zu einem Garantiepreis ab, wenn die Erzeuger diese nicht auf dem freien Markt verkaufen konnten. Insbesondere in den frühen 1980er Jahrenwuchsen diese Überschüsse zu Butterbergen und Milchseen, die schließlich entweder auf Kosten der Steuerzahler exportiert oder entsorgt werden mussten.

Kein Eingreifen der Politik in Preise

Insgesamt zeigt sich, dass es kaum plausible Begründungen für ein Eingreifen der Politik in die Preisfindung gibt. Vielmehr sind Anpassungen der Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Akteure bewegen, erforderlich, etwa im Bereich der Bepreisung von klimaschädlichen Emissionen und beim Abbau von Subventionen. Über mögliches wettbewerbsverzerrendes Verhalten wacht das Kartellamt bereits mit Argusaugen. Mindestpreise würden die Situation nur „verschlimmbessern“.

Erschienen bei: IREF.

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