Nicht nur Zölle und staatliche Finanzhilfen behindern den Handel über Landesgrenzen hinweg. Regierungen auf der ganzen Welt schränken – mal mehr mal weniger subtil – auch durch Lokalisierungsanforderungen den Handel ein. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die ausländische Unternehmen dazu anhalten, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in das eigene Land zu verlegen. Dies kann explizit erfolgen, wenn der Marktzugang ausländischen Unternehmen nur gewährt wird, wenn das Unternehmen die abgesetzten Produkte vor Ort produziert. Implizit kommt es zum Einfluss auf die Standortwahl, wenn beispielsweise bei öffentlichen Ausschreibungen nur lokale Anbieter berücksichtigt werden sowie wenn Subventionen oder öffentliche Aufträge nur zugänglich sind, wenn Anbieter lokal produzierte Güter und Dienstleistungen als Inputs nutzen. Wir diskutieren in einem neuen IREF Policy Paper wie internationaler Handel durch derartige Anforderungen gehemmt wird. Abhilfe versprechen vor allem internationale Abkommen.
Marktzugang nur bei lokaler Produktion
Recht offensiv nutzen vor allem einige Entwicklungsländer Lokalisierungsbarrieren. Wollen etwa ausländische Unternehmen Marktzugang in China, ist dies nur möglich, wenn die Firmen bereit sind, geistiges Eigentum und Technologien mit ihren chinesischen „Partnern“ zu teilen. Ohne Investitionen und Technologiepreisgabe wird in der Regel kein Marktzugang gewährt.
Doch auch Industrieländer nutzen Lokalisierungsbarrieren. Bekannte diskriminierende öffentlichen Auftragsanforderungen in den USA sind der 1933 verabschiedete Buy American Act, der die U.S.-Regierung dazu anhält, in den USA produzierten Gütern den Vorzug zu geben, und der 1982 erlassene Buy America Act, gemäß welchem beim vom Bund unterstützten Infrastrukturprojekten ebenfalls im Inland produzierte Güter zu bevorzugen sind. Auch das Konjunkturpaket im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 enthielt „Buy American“-Restriktionen. Sie galten für mehr als ein Drittel des gut 787 Milliarden Euro schweren Konjunkturprogramms.
Digitale Barrieren
Auch das digitale Zeitalter kennt Lokalisierungsbarrieren. Obwohl die Digitalisierung besonders vom Austausch von Informationen über Grenzen hinweg lebt, gibt es Bestrebungen, Anbieter digitaler Produkte in ihrer Standortwahl einzuschränken. Auch dadurch wird der internationale Austausch gehemmt. Industriestaaten wie Australien, Kanada, Neuseeland, Südkorea, Taiwan und die Türkei haben digitale Lokalisierungsbarrieren per Gesetz verabschiedet. Auch weniger entwickelte Länder setzen auf die lokale Speicherung von Daten, darunter Schwergewichte wie China, Indien, Indonesien, Malaysia und Vietnam.
Begründet werden digitale Lokalisierungseinschränkungen regelmäßig mit Hinweis auf den Datenschutz oder die nationale Sicherheit. Ob Datenschutzbedenken tatsächlich das ausschlaggebende Motiv für digitale Lokalisierungsbarrieren sind oder vielmehr protektionistische Ziele, ist fraglich.
Datenschutz?
Die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2013 suggerieren, dass Datenschutz bei digitalen Lokalisierungsanforderungen nicht das einzige Motiv ist. Einige aktuelle Beispiele aus Europa verdeutlichen dies.
So geht die Umsetzung der von der EU geforderten Vorratsdatenspeicherung in Griechenland besonders weit. Die Kommunikationsdaten müssen innerhalb der Grenzen Griechenlands gespeichert werden.
Auch in Deutschland sind verschiedene Lokalisierungsanforderungen zu finden. So müssen nach dem Umsatzsteuergesetz elektronische Rechnungen innerhalb der Europäischen Union aufbewahrt werden. Auch Gehaltsabrechnungen und Bilanzdaten müssen in Deutschland aufbewahrt werden. Besonders kurios ist das Brandenburger Melderegistergesetz. Die brandenburgischen Einwohnermeldeämter dürfen nur private Cloud-Computing-Dienste nutzen, die sich im Land Brandenburg befinden. In vielen Fällen wäre der Datensicherheit vermutlich auch genüge getan, wenn die Daten innerhalb der EU-Grenzen oder in der EU nahestehenden Drittstaaten statt innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen gespeichert würden.
Zudem ist die Frage, wo die Daten physisch gespeichert sind, für die Durchsetzung von Datenschutzgesetzen bei in- wie ausländischen Unternehmen irrelevant. Inländische Unternehmen können zur Rechenschaft gezogen werden, auch wenn die Daten im Ausland physisch gespeichert sind. Ausländische Firmen ohne einen rechtlichen Sitz im Inland können dagegen nur juristisch belangt werden, wenn die Justiz durch Rechtshilfeabkommen mit anderen Ländern kooperiert. Eine physische Speicherung der Daten im Inland ist dagegen für die Durchsetzung von Datenschutzrecht gegenüber ausländischen Unternehmen kaum hilfreich.
Nationale Sicherheit?
Neben dem Datenschutz wird regelmäßig zur Begründung von Lokalisierungsbarrieren und anderen Handelsbarrieren auf die Nationale Sicherheit verwiesen. Einer Studie der EU zu digitalen Barrieren zufolge, sind die striktesten Barrieren jene, welche durch nationale Sicherheit gerechtfertigt sind. So kann nach dem „Französischen Blockiergesetz“ von 1980 die Übermittlung von Informationen in das Ausland untersagt werden, wenn die Souveränität, Sicherheit, öffentliche Ordnung oder wesentliche wirtschaftliche Interessen Frankreichs beeinträchtigen werden könnte. Zudem müssen seit 2016 alle Daten, die von französischen staatlichen Einrichtungen oder Personen, die für diese arbeiten, in Frankreich gespeichert und verarbeitet werden.
In einigen Fällen mögen Sicherheitsbedenken legitime Gründe für die Behinderung des Austauschs von Daten sein. Auch bei nicht digitalen Produkten könnten Sicherheitsbedenken, etwa bei der Beschränkung von Waffenexporten, legitim sein. In anderen Fällen jedoch scheinen protektionistische Absichten und nicht so sehr Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit Barrieren zu motivieren.
WTO: Nationale Sicherheit präzisieren
Nach den Regeln der WTO dürfen Regierungen den Handel einschränken, wenn ihre nationalen Sicherheitsinteressen betroffen sind. Doch der Begriff der nationalen Sicherheit ist sehr beliebig und wird teilweise großzügig ausgelegt. So hat Donald Trump mit dem Verweis auf die nationale Sicherheit Zölle auf Stahl und Aluminium legitimiert. Auch droht er deutsche Autoexporte im Namen der nationalen Sicherheit einzudämmen. Es bedarf eines gewissen Maßes an Vorstellungskraft, um sich davon zu überzeugen, dass VW Passats die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährden. Aber Donald Trump ist bei weitem nicht der erste, der sich auf diese Ausnahme beruft. So schränkte Schweden im Jahr 1975 den Import von Schuhen im Namen der nationalen Sicherheit ein.
Die sehr weite Auslegung des Begriffs der nationalen Sicherheit ist jedoch derzeit kein Randthema mehr und nicht mehr nur Gegenstand skandinavischer Anekdoten. Es bedarf einer international anerkannten Definition des Begriffs der nationalen Sicherheit.
Multilaterale Verträge nötig
Lokalisierungsbarrieren schaden dem internationalen Handel erheblich. Der Abbau lokaler Anforderungen sollte unilateral vorangetrieben werden. Fehlt dazu der politische Wille, kann der Abbau lokaler Anforderungen vor allem multilateral gelingen – etwa durch Abkommen wie TTIP oder im Rahmen der WTO. Wird der gegenseitige Verzicht auf Lokalisierungsbarrieren vereinbart, ist maßgeblich, dass der Bereich der nationalen Sicherheit ausreichend eng gefasst wird. Dann können Bestrebungen zum Abbau von Lokalisierungsbarrieren nicht mit dem Verweis auf die nationale Sicherheit bei scheinbarer Einhaltung der vereinbarten Regeln ausgehöhlt und der internationale Handel erfolgreich befördert werden.
Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.