„Schwach angefangen und dann stark nachgelassen“, so könnte die deutsche Impfkampagne gegen das Corona-Virus zusammengefasst werden. Zunächst lahmte die Kampagne, weil zu wenig und zu spät Impfstoff bestellt wurde. Mit zunehmender Verfügbarkeit schnellte die Impfquote empor, um nun seit Wochen auf ähnlichem Niveau zu verharren. Während andere Länder, wie Großbritannien oder Dänemark, dank hoher Impfquoten und einem höheren Anteil bereits Genesener die meisten Corona-Maßnahmen aufgehoben haben, ist hierzulande die Aufhebung der Maßnahmen kaum ein Thema mehr.
Soll zügig zur Normalität zurückgekehrt werden und eine Überlastung des Gesundheitssystems vermieden werden, muss die Impfquote in Deutschland noch einmal deutlich steigen.
Corona verursacht hohe individuelle und gesellschaftliche Kosten, die durch eine Impfung reduziert bzw. vermieden werden können. Je mehr Menschen geimpft sind, desto mehr Leid durch Krankheit und Tod kann vermieden werden. Auch die Gegenmaßnahmen erzeugen Leid und auch monetäre Kosten, die durch Impfungen vermieden werden könnten. Den gesellschaftlichen Wert einer einzelnen Impfdosis schätzt das ifo Institut auf gut 1.500 Euro.
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass bereits eine relativ geringe Geldprämie die Impfquote erhöhen kann.
Firmen setzen auf Prämien
Impfprämien werden weltweit diskutiert und auch eingesetzt. Insbesondere Firmen greifen zu diesem Instrument. So zahlt der Discounter Lidl seinen Angestellten in den USA eine 200 Dollar-Prämie für die Impfung gegen Corona. Das Finanzunternehmen Vanguard zahlt seinen 16.500 Angestellten gar eine Prämie in Höhe von 1.000 Dollar. McDonald‘s zahlt zwar keine direkte Prämie, doch gibt das Unternehmen jedem geimpften Mitarbeiter 4 Stunden bezahlt frei. American Airlines kombiniert zusätzliche bezahlte Freizeit, nämlich einen Arbeitstag, mit einer Geldprämie in Höhe von 150 Dollar.
Auch deutsche Firmen setzen inzwischen Prämien ein, um ihre Mitarbeiter zu einer Impfung zu bewegen. So zahlt eine bayrische Chemiefirma ihren Mitarbeitern eine 500 Euro Impfprämie. Der Essighersteller Speyer & Grund zahlt immerhin eine Prämie in Höhe von 200 Euro. Größere Unternehmen, etwa die DAX-Konzerne, planen derzeit offenbar keine entsprechenden Prämien in Deutschland.
Experiment mit vielversprechenden Ergebnissen
Ob Geldprämien tatsächlich ein geeignetes Mittel sind, um eine höhere Impfquote zu erreichen, wird kontrovers diskutiert. So wird befürchtet, dass eine Geldprämie einige Menschen abschrecken könnte, sich impfen zu lassen.
Die Ergebnisse einer aktuellen Studie weisen allerdings darauf hin, dass eine Geldprämie durchaus dazu beitragen kann, die Impfquote substanziell zu erhöhen. In Schweden haben Forscher mit 8.286 Personen ein randomisiertes Experiment durchgeführt. Eine Gruppe erhielt 200 Schwedische Kronen (20 Euro), wenn sie sich innerhalb von 30 Tagen impfen ließ. Einer Kontrollgruppe wurde keine Impfprämie in Aussicht gestellt. Während die Kontrollgruppe schließlich eine Impfquote von 72 Prozent aufwies, lag die Impfquote in der Impfprämiengruppe bei 76 Prozent. Damit erhöhte die Impfprämie die Impfquote um 4 Prozentpunkte. Dabei stellten die Forscher fest, dass es hinsichtlich der Reaktion auf die Prämie kaum Unterschiede bezüglich des sozio-ökonomischen Status der Teilnehmer gab. Alle gesellschaftlichen Gruppen wurden etwa gleich von der Impfprämie angesprochen.
Das Experiment zeigt, dass schon eine geringe Impfprämie von nicht einmal 20 Euro, auch bei einer bereits relativ hohen Impfquote, die Impfquote substanziell erhöhen kann.
Inwiefern höhere Prämien eine noch größere Steigerung der Impfquote bewirken können, kann durch das Experiment nicht beantwortet werden, da die Wirkung unterschiedlicher Beträge nicht getestet wurde.
Viel hilft viel
Die Effekte bereits geringer Impfprämien machen Mut. Ergebnisse anderer Studien weisen zudem darauf hin, dass höhere Beträge auch einen größeren Effekt verursachen könnten. Angesichts des hohen gesellschaftlichen Werts von Impfungen könnten sich auch relativ hohe Impfprämien lohnen. So fordert etwa der Ökonom Jan Schnellenbach eine Impfprämie in Höhe von 200-300 Euro.
Prämien: Die bessere Alternative
Impfprämien internalisieren die positiven Effekte einer Impfung. Impfungen haben einen positiven Effekt auf andere Menschen, da die Gefahr einer Ansteckung reduziert wird. Der Schutz Fremder wird allerdings bei der individuellen Überlegung, ob eine Impfung durchgeführt werden soll, nicht vollständig berücksichtigt. Geldprämien könnten dazu beitragen, dass der zusätzliche Wert einer Impfung für andere sich im wahrsten Sinne des Wortes für die Impflinge auszahlt. Geldprämien sind dabei anderen Maßnahmen, die die negativen Externen Effekte der „Nicht-Impfung“ einpreisen sollen, überlegen. Zwei Beispiele verdeutlichen dies.
Erstens, die Lohnfortzahlung im Fall einer angeordneten Quarantäne wurde für Ungeimpfte abgeschafft. Gewiss bürdet dies den Ungeimpften Kosten auf, allerdings nicht zielgenau, schließlich werden nicht alle Ungeimpften in Quarantäne verbannt. Außerdem entstehen unbeabsichtigte Konsequenzen: Das Ausbleiben der Lohnfortzahlung im Fall einer angeordneten Quarantäne ist ein Anreiz, die Quarantäneanordnung dem Arbeitgeber zu verschweigen. So spazieren besonders gefährdete Ungeimpfte mit Kontakt zu Infizierten trotz Quarantäne weiterhin zur Arbeit.
Zweitens, die Schnelltests wurden wieder kostenpflichtig, um Ungeimpften die Kosten ihrer Entscheidung aufzubürden. Doch auch diese Maßnahme ist nicht zielgenau. So hängt die Höhe der aufgebürdeten Kosten von der Häufigkeit der Testung ab. Außerdem wird mit dem Test eine Tätigkeit verteuert, die ihrerseits positive externe Effekte verursacht. Ironischerweise waren die positiven externe Effekte der Testung die ursprüngliche Begründung für die Kostenübernahme durch den Staat. Insgesamt wird nun weniger getestet. Der Bekämpfung der Pandemie ist damit sicherlich nicht gedient.
Impfprämien für alle!
Beide bisher ergriffenen Maßnahmen führen dazu, dass besonders gefährdete Ungeimpfte sich weniger testen und einen Anreiz haben, die Quarantäne zu brechen, um zur Arbeit zu gehen.
Zielsicherer und ohne unerwünschte Nebeneffekte sind Geldprämien für Impfungen. Prämien sind ein mildes Mittel, um schnell und effektiv die Impfquote zu erhöhen. Sie sollten schnellstmöglich eingeführt werden. Mögliche Prämien sollten an alle Geimpften ausgezahlt werden, nicht nur an Neugeimpfte. Sonst werden sich bei der nächsten Pandemie viele Menschen mit Impfungen zurückhalten und auf eine Prämie warten. Angesichts der hohen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kosten von Corona und der Gegenmaßnahmen sollte bei der Höhe der Prämie nicht gegeizt werden.
Erschienen bei: IREF. Mitautor: Claudia Zeller