Nieren-Tausch kann Leben retten

Nieren-Tausch kann Leben retten

Derzeit warten mehr als 7.300 Menschen in Deutschland auf eine Nierentransplantation. Leider verstarben im vergangenen Jahr hierzulande mehr als 400 Patienten, die vergeblich auf eine passende Niere gewartet hatten. In Deutschland ist die Lebendspende eines Organs streng limitiert. Es ist gesetzlich verboten, Fremden ein Organ zu spenden. Dieses Verbot verhindert möglicherweise eine große Zahl von lebensrettenden Transplantationen. Das Verbot der freiwilligen Organspende an Fremde sollte abgeschafft werden.

Lange Warteliste

Die gesetzliche Grundlage für Transplantationen ist das deutsche Transplantationsgesetz. Dies regelt, dass nur Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen, ein Organ spenden dürfen. Im Jahr 2017 spendeten aus diesem Personenkreis in 557 Fällen Menschen eine ihrer zwei Nieren. 

Ist niemand in diesem Kreis bereit, ein Organ zu spenden, oder passen die Organe nicht zu der Blutgruppe des Empfängers, ist der Patient darauf angewiesen, ein Organ von der Warteliste zu bekommen. In vielen anderen Ländern, wie den USA, Großbritannien, Spanien, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz ist dies anders. Dort dürfen nicht nur dem Patienten Nahestehende, sondern auch Fremde ein Organ spenden.

Auf der Warteliste von Eurotransplant warten derzeit über 10.000 Patienten auf eine Spenderniere. Eurotransplant ist die zuständige Vermittlungsstelle für Organspenden in den Benelux-Ländern, Deutschland, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn. Die Organe, die über die Warteliste vergeben werden, stammen von verstorbenen Spendern. Im Jahr 2017 erhielten 1.383 Patienten in Deutschland eine Niere von einem Verstorbenen.

Mehr Lebendspenden könnten helfen

Die Organspende nach dem Tod kann den Bedarf an Organen nicht vollständig decken. Vielen weiteren Patienten könnte effektiv durch Lebendspenden geholfen werden. Eine Operation ist für den Spender natürlich risikobehaftet. Die Entscheidung für eine Spende sollte daher immer mit Bedacht getroffen werden.

Gemäß den Ergebnissen einer Studie aus dem Jahr 2009 müssen Nierenspender jedoch keine Langzeitfolgen fürchten. Die 255 untersuchten Spender hatten eine ähnliche Lebenserwartung, kein erhöhtes Risiko eines Nierenversagens und waren im Schnitt zufriedener mit der Qualität ihres Lebens als Nicht-Spender.

Inkompatible Spenderorgane bereiten Probleme

Das größte Problem mit Lebendspenden ist heute, dass im Umfeld eines Patienten ein Spender zwar bereit ist, seine Niere zu spenden, das Organ allerdings mit dem Körper des Erkrankten inkompatibel ist.

Der Nobelpreisträger Alvin E. Roth hat einen Mechanismus entwickelt, mit dem mehr Transplantationen durch Spenden von Nahestehenden möglich werden. Bei der normalen Lebendtransplantation muss das Spenderorgan eines nahestehenden Spenders passen. Bei dem von Roth entwickelten Nierentauschringen ist dies nicht notwendig. Hier werden inkompatible Patienten-Spender-Paare mit anderen Patienten-Spender-Paaren vernetzt. Roth verdeutlicht dies an einem Beispiel:

„Stellen Sie sich vor, ich wollte meinem Bruder eine Niere spenden und Sie Ihrem Bruder. Aber die Organe passen nicht, die Körper unserer Brüder würden sie abstoßen. Wenn ich aber meine Niere Ihrem Bruder spenden würde und Sie Ihre meinem, wäre es möglich.“

Für diesen Tausch müssen nur die passenden Patienten-Spender-Paare zusammengebracht werden. Dies wird mit Hilfe von Datenbanken bereits erfolgreich in den USA praktiziert. Die Tauschringe können sogar größer werden und zum Beispiel drei Patienten-Spender-Paare umfassen. Die Herausforderung ist, dass bei einem solchen Tausch die Operationen der Spender und Empfänger gleichzeitig durchgeführt werden müssen.

Die Gleichzeitigkeit der Operationen soll verhindern, dass sich einer der Spender opportunistisch verhält. Ein Spender könnte zusagen, ein Organ zu spenden, abwarten bis sein Verwandter ein Organ erhalten hat und dann die Spende doch verweigern.

Altruistische Spenderketten

Um noch mehr spendenwillige Verwandte und Empfänger zusammen zu bringen, muss allerdings auf die Gleichzeitigkeit der Entnahmen verzichtet werden. Auch dies haben Roth und seine Kollegen erfolgreich getestet und umgesetzt. Spenderketten funktionieren besser als erwartet, auch wenn gelegentlich tatsächlich Spender im letzten Moment absprangen.

Eine Spenderkette wird meist durch eine altruistische Organspende ausgelöst – ein Fremder spendet eine Niere. Dies ist in den USA im Gegensatz zu Deutschland möglich. Dort können Menschen ihnen Unbekannten eine Niere spenden, solange sie dafür nicht bezahlt werden.

Ein Nahestehender des ersten Empfängers einer solchen altruistischen Spende willigt ein, eine seiner beiden Nieren an einen anderen Unbekannten zu spenden. Ein nahestehender dieses unbekannten Empfängers sagt ebenfalls zu, eine Niere zu spenden. So starten Ketten von Transplantationen. Beendet werden diese Transplantationsketten erst, wenn ein Organ einem Empfänger transplantiert wird, der keinen Nahestehenden oder Verwandten hat, der eine Niere spendet. Meistens sind dies „schwervermittelbare“ Patienten, deren Anforderungen an das Transplantationsorgan, zum Beispiel die Blutgruppe, sehr selten sind.

Die New York Times berichtet von der bisher längsten Transplantationskette. Rick Ruzzamenti löste diese Spendenkette aus. Der 44-jährige Buddhist entschied sich für die Spende, weil er darin eine Möglichkeit sah, vielen Menschen auf einmal zu helfen. Nach vier Monaten und 60 Operationen endete die längste Nierentransplantationskette der Welt. Insgesamt erhielten 30 Patienten eine Niere von 30 Lebendspendern.

Spendenverbot aufheben!

Diese erfolgreichen Nierentauschringe und -ketten sind in Deutschland verboten. Dies hat auch das Bundessozialgericht bestätigt und durch das Erfordernis eines Näheverhältnisses zwischen Spender und Empfänger Ringtausche sowie Spenderketten ausgeschlossen.

Die Befürworter des Verbots argumentieren, dass ohne das Verbot die Möglichkeit eines finanziell motivierten Organhandels bestünde. Unabhängig von der Frage, ob ein legaler Organhandel wünschenswert ist oder nicht, ließe sich ein illegaler Organhandel verhindern, indem die vermittelnde Instanz die Anonymität der Spender und der Empfänger wahren würde. Dieses Verfahren wird beispielsweise in den Niederlande praktiziert. Wissen die Empfänger nicht, von wem das Organ stammt, können auch keine finanziellen Zuwendungen fließen.

Das Transplantationsgesetz sollte angepasst werden. Altruistische Spenden sowie Tauschringe und Tauschketten sollten erlaubt sein. Patienten und ihre Angehörige, die das gleiche Schicksal teilen, könnten einander helfen. Diese Selbsthilfe sollte nicht weiter staatlich unterbunden werden.

Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.

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