Klimaforscher warnen eindringlich vor den möglichen Folgen des menschenverursachten Klimawandels. Eine erhöhte Durchschnittstemperatur macht Extremwetterereignissse wie Dürren und Fluten wahrscheinlicher und der Anstieg des Meeresspiegels bedroht heute besiedelte Küstenregionen. Die internationale Politik hatte sich zunächst darauf verständigt, die Erderwärmung auf durchschnittlich 2 Grad bis zum Jahr 2100 zu begrenzen. Auf der Klimakonferenz in Paris hat sie das Ziel auf 1,5 Grad verschärft. Ob die Klimaziele erreicht werden, ist jedoch fraglich. Angesichts aktueller Prognosen ist es Zeit, nicht nur Emissionsvermeidungen voranzutreiben, sondern auch über Möglichkeiten des Umgangs mit den Folgen des Klimawandels zu diskutieren.
Märkte spielen dabei abseits der Bepreisung schädlicher Emissionen durch Emissionshandelssysteme eine entscheidende Rolle, denn sie können die Anpassung an den Klimawandel deutlich erträglicher machen. Preissignale geben Hinweise auf notwendige Anpassungen, internationale Handelsmöglichkeiten machen Änderungen der Produktionsstrukturen weniger schmerzhaft, entwickelte Märkte helfen beim Umgang mit finanziellen Risiken. Außerdem befördert eine marktwirtschaftliche Ordnung den Wohlstand, der den Einsatz zusätzlicher Ressourcen und Technologien im Umgang mit den Folgen des Klimawandels erst ermöglicht.
Klimaziele (zu) ambitioniert?
Die Schüler von Fridays for Future weisen eindrücklich darauf hin: Die Welt ist weit davon entfernt, die selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen. Dafür müsste weltweit der Emissionsanstieg zum Erliegen kommen und das Emissionsniveau zügig deutlich reduziert werden. Dies veranschaulichen auch Simulationen, unter anderem ein am MIT entwickeltes Modell, das auch von der US-Delegation bei Klimagipfeln benutzt wurde und nun frei im Internet verfügbar ist. Diesem Modell zu Folge wird die Erderwärmung bis zum Jahr 2100, wenn keine Maßnahmen getroffen werden, bei über 4 Grad liegen.
Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, müssten in der EU bis 2030 jährlich 3,7 Prozent und ab 2030 jährlich über 5 Prozent weniger Klimagase emittiert werden. Ähnliche Größenordnungen gelten für andere Industrieländer, etwa die USA. Dort müssten die Emissionen bis 2030 jährlich um 4,1 Prozent und bis 2050 jährlich um über 5 Prozent reduziert werden. In China müssten der Emissionshöchststand 2030 erreicht und die Emissionen ab dann jährlich um 3,4 Prozent und ab 2050 jährlich um 4 Prozent gesenkt werden. Zum Vergleich: Im Referenzszenario geht man davon aus, dass Chinas Emissionen bis 2050 jährlich um über 2 Prozent steigen werden.
Für die Gruppe der Entwicklungsländer wäre eine Reduktion ab 2030 um jährlich 3 Prozent nötig, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Für das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels wäre eine deutlich stärkere Reduktion nötig, inklusive weltweiter negativer Nettoemissionen.
Bessere Anpassung mit Marktwirtschaft
Die Prognosen und die überschaubaren Erfolge vergangener Klimakonferenzen zeigen, dass das Erreichen der selbstgesteckten Ziele – Stand heute – alles andere als sicher ist. Es ist daher ratsam, auch Anpassungsstrategien an den Klimawandel ins Auge zu fassen. Marktwirtschaftliche Strukturen sind dabei ein wesentlicher Baustein.
Preise: Gefahr erkannt!
Eine wettbewerbliche Marktwirtschaft gibt Anreize für eine frühzeitige Anpassung an neue Rahmenbedingungen. Ändern sich auf Grund des Klimawandels die Nachfrage nach Produkten oder die Produktionskosten, spiegelt sich das in den jeweiligen Preisen und den Gewinnen und Verlusten der Unternehmer wider, die auf diese Signale reagieren. Sind Unternehmungen oder ganze Wirtschaftszweige nicht oder kaum Wettbewerb ausgesetzt, etwa durch staatlich privilegierte Monopolstellung, Festpreise, Zölle oder andere nichttarifäre Handelshemmnisse, können sich notwendige Anpassungen verzögern oder ganz versäumt werden.
Bessere Anpassung dank Handelspartnern
Der Klimawandel wird in manchen Regionen das Klima derart verändern, dass dort derzeit vorzufindende wirtschaftliche Aktivitäten unattraktiv werden und Ressourcen nicht weiter wie bisher eingesetzt werden können. Beispielsweise kann eine erhöhte Durchschnittstemperatur die bisher betriebene Landwirtschaft erschweren.
Zugang zu Handelspartnern – auch international – hilft Menschen in diesen Regionen. Sie können ihre Produktion weniger folgenschwer auf Waren und Dienstleistungen umstellen, deren Herstellung angesichts der neuen klimatischen Bedingungen lohnender ist. Die Umstellung von Produktionsstrukturen ist weniger schmerzhaft, weil Handelspartner die Versorgung mit Gütern sicherstellen, die vor Ort nicht mehr oder nur zu deutlich höheren Kosten hergestellt werden können. Je diverser die Handelspartner einer betroffenen Region sind, desto reibungsloser kann die Anpassung gelingen.
Märkte: Gut versichert
Hochentwickelte Märkte können auch im direkten Umgang mit Schäden durch die Klimaerwärmung helfen. Vor individuellen finanziellen Schäden durch Extremwetterereignisse kann ein funktionierender Versicherungsmarkt schützen. So ist es in Deutschland ohne weiteres möglich, sich gegen die von Stürmen verursachten Schäden am eigenen Hause oder an Produktionsstandorten zu versichern. Können sich Versicherungen ihrerseits international rückversichern, werden die Risiken noch breiter verteilt. Das Risiko eines Schadenfalls wird schlussendlich von jenen getragen, die damit am besten umgehen können, nicht von einzelnen betroffenen Haushalten oder Unternehmen.
Märkte, Wohlstand, Technologien
Grundvoraussetzung einer effektiven Anpassung ist hoher Wohlstand, den marktwirtschaftliche Strukturen helfen zu schaffen. Herrscht Wohlstand, können zusätzliche Ressourcen in die Entwicklung und den Einsatz moderner Technologien investiert werden, welche ihrerseits helfen, die Folgen des Klimawandels abzumildern. Die Niederlande und Israel – beides wohlhabende marktwirtschaftlich geprägte Länder – zeigen schon heute, wie mit Hilfe moderner Technologie widrigen Umweltbedingungen getrotzt werden kann.
Klimamodelle prognostizieren einen deutlichen Anstieg des Meeresspiegels in diesem Jahrhundert. Die steigenden Fluten könnten mehrere Hundert Millionen Menschen bedrohen. Die Niederlande zeigen seit langem, wie Menschen mit alter und neuer Technik dem Meer etwas entgegensetzen können. Fast ein Drittel der Niederlande liegt heute unterhalb des Meeresspiegels. Möglich macht dies ein umfangreicher Hochwasserschutz. Die Niederlande errichtete gar einen 32 Kilometer langen Deich, der die Zuiderzee, das heutige Ijsselmeer, von der Nordsee abtrennt, um besser gegen Sturmfluten gewappnet zu sein. Auch setzen die Niederländer flexible Flutbarrieren und Speerwerke ein, die nur bei einer Sturmflut geschlossen werden, wie die Deltawerke.
Einem ganz anderen Problem sieht sich Israel gegenüber: Wassermangel. Der Klimawandel könnte insbesondere in Afrika die ohnehin schwierige Trinkwasserversorgung weiter erschweren. Dennoch ist die Lage nicht aussichtslos, wie das Beispiel Israel illustriert. Das Land ist führend in der Entwicklung und Anwendung moderner Meerwasserentsalzungsanlagen. Bis vor einigen Jahren waren Meerwasserentsalzungsanlagen als „Energiefresser“ verschrien. Tatsächlich brauchen Anlagen, die Wasser abkochen, um Wasser und Salz zu trennen über 90 Kilowattstunden Energie in Form von Strom und Wärme für einen Kubikmeter Trinkwasser. Moderne Anlagen arbeiten mit einem anderen Prinzip. Wasser wird mit hohem Druck durch Membranen gedrückt und das Salz so herausgefiltert. Diese Anlagen sind deutlich effizienter und benötigen nur noch 4 Kilowattstunden Strom. Inzwischen stammen 75 Prozent des Leitungswassers in Israel aus Meerwasserentsalzungsanlagen. Israel gewinnt nicht nur aus Meerwasser Trinkwasser, sondern recycelt auch Wasser, etwa indem es nach einer Aufbereitung für die Bewässerung der Landwirtschaft eingesetzt wird. So werden 86 Prozent der Haushaltsabwässer in der Landwirtschaft weiter genutzt.
Marktwirtschaftliche Reformen als Grundlage
In den Niederlanden und in Israel sind die Anpassungen an bedrohliche Umweltbedingungen auch gelungen, weil ihr hoher Wohlstand es erlaubt, den Herausforderungen umfängliche Ressourcen unter Einsatz modernster Technologien entgegenzustellen. Zum zugrundeliegenden Wohlstand beider Länder haben marktwirtschaftliche Strukturen maßgeblich beigetragen, die sie durch die Verfügbarkeit von Preissignalen, internationalen Handelspartnern und Versicherungsmärkten anpassungsfähig machen.
Die gute Nachricht ist, marktwirtschaftliche Reformen benötigen in der Regel nicht den Einsatz zusätzlicher Ressourcen, sondern verbessern die Verwendung vorhandener Mittel, wie in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere die ostasiatischen Tigerstaaten Südkorea, Taiwan, Singapur, Hongkong und auch China oder nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Länder in Osteuropa eindrücklich illustriert haben.
Marktwirtschaftliche Reformen sind somit auch und gerade für arme Länder erste Wahl, um grundlegende Voraussetzungen zu schaffen, mit den Folgen des Klimawandels besser umgehen zu können. Die schlechte Nachricht ist, für eine erfolgreiche Umsetzung derartig tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen gibt es kein universelles Erfolgsrezept. Welche Maßnahmen fruchten und ob sich für sie ausreichend Unterstützung unter einflussreichen Interessengruppen finden lässt, hängt von den lokalen Begebenheiten ab. Dennoch stimmt die weltweite Entwicklung der letzten Jahrzehnte positiv. Marktwirtschaftliche und demokratische Strukturen haben sich trotz aller Widrigkeiten vermehrt durchgesetzt.
Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.