Der Sommer ist nicht nur die Zeit für Badehosen und ausgiebige Grillabende, sondern auch für Politiker der zweiten Reihe. Ein Dauerbrenner des Sommerlochs und des anklingenden Herbstes 2019 sind Verbote. Seien es Plastikbesteck, Ölheizungen oder Inlandsflüge, quer durch alle politischen Lager werden die Rufe nach Verboten laut. Verbote sind in der Regel nicht das beste Mittel, um unerwünschten Externalitäten zu begegnen. Die Forderung nach Verboten kann für Politiker im politischen Wettbewerb dennoch attraktiv sein, wenn die geforderten Verbote den Vorlieben ihrer Wähler entsprechen, sie dadurch besondere Ernsthaftigkeit signalisieren können oder sich mit der extremen Position das Feld des politisch Möglichen erweitern lässt. Während die Forderung nach Verboten von Politikern auf Stimmenfang regelmäßig als Instrument eingesetzt wird, sollte der Staat nur in sehr seltenen Fällen Verbote durchsetzen, um externe Effekte zu verhindern.
„Verbieten“ im Trend
Was auch immer die Menschen bewegt, Google weiß es recht schnell. Bei ersten Grippesymptomen fragen wir gerne die große Suchmaschine um Rat. Ein Anstieg der Suchanfragen kann daher ein erstes Anzeichen für eine Grippewelle sein. Geht es nach den Googlesuchanfragen zum Thema „verbieten“ scheint es so, als würde die Menschen das Thema in den letzten Jahren vermehrt beschäftigen.
Seit 2004 stiegen die Suchanfragen mit „verbieten“. Dabei beschränken sich die Ausschläge nicht nur auf das politische Sommerloch in den Sommermonaten. Eine Auswertung der Bundestagsprotokolle zeigt zudem, dass „verbieten“ auch in den politischen Schlagabtauschen in Mode ist. Im Vergleich zu den ersten 20 Jahren der Bundesrepublik hat sich die Häufigkeit des Worts „verbieten“ in den aktuellen Debatten im Parlament mehr als verdoppelt.
Keine Alternativen mehr zu Verboten?
Verbote sind derzeit vor allem in Umweltfragen hoch im Kurs: SUVs, Inlandsflüge, Verbrennungsmotoren und vieles mehr. Man könnte den Eindruck gewinnen, Verbote seien attraktive Instrumente für den Klima- und Umweltschutz. Doch Verbote sollten das letzte Mittel in einem Instrumentenkasten sein, um mit externen Effekten wie Umweltproblemen fertig zu werden. Als externe Effekte werden Kosten bezeichnet, die nicht von ihrem Verursacher getragen werden, sondern Dritte treffen. Beispielsweise sind externe Kosten die Klimafolgekosten für anderen Menschen, die etwa bei der Benutzung des eigenen Autos entstehen.
Je stärker externe Effekte reduziert werden, desto höher sind die Kosten für die Vermeidung. Während die ersten Prozente relativ günstig eingespart werden können, sind die letzten verbleibenden externen Effekte nur zu hohen Kosten zu vermeiden. Daher ist es meist wünschenswert, die Externalität nicht komplett zu eliminieren, denn mit einem Verbot der zugrundeliegenden Aktivität geht auch der Nutzen vollständig verloren, den sie stiftet.
Für die gewünschte Reduktion externer Effekte ist es in der Regel nur notwendig, dass der Verursacher die vollen Kosten seiner Handlungen trägt. Um das Klima zu schützen, wäre daher folgerichtig den Verursachern die bisher nicht in Betracht gezogenen Kosten aufzubürden, etwa mit Hilfe einer CO2-Steuer oder eines Zertifikatehandels. Privatpersonen stünden ebenso wie Unternehmen vor der Frage, ob sie Emissionen verursachen und damit die Steuer zahlen, ein Zertifikat kaufen oder ob es nicht günstiger wäre, die Emissionen zu vermeiden. Unerwünschte Einkommensverteilungseffekte solcher Maßnahmen können vermieden werden, wenn die Einnahmen daraus nicht dem allgemeinen Budget des Staates zugeführt, sondern sie postwendend gleichmäßig an alle Einwohner ausgezahlt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings der politische Wille, die Einnahmen nicht für eine zusätzliche Ausweitung des Einflusses des Staates auf den Ressourceneinsatz in der Volkswirtschaft zu nutzen.
Es gibt immer einen guten Grund für ein Verbot
Wenn Verbote kein attraktives Mittel sind, um Umweltprobleme zu lösen, warum werden sie dann so häufig gefordert? Für Politiker können Verbotsforderungen aus verschiedenen Gründen hilfreich sein.
Erstens können Politiker mit Verboten auf die Präferenzen ihrer Wähler eingehen. Wenn ihre potentiellen Wähler schlicht eine Abneigung gegen gewisse Aktivitäten ihrer Mitmenschen und nicht gegen die mit den Aktivitäten einhergehenden externen Effekte hegen, kann sich die Forderung nach einem Verbot politisch lohnen, obwohl es wirtschaftspolitisch nicht angemessen ist.
Die Unterscheidung zwischen echten externen Effekten und schlichter Abneigung ist schwierig, wie schon der Ökonom Kenneth Arrow anmerkte. Für einen „echten“ externen Effekt ist irrelevant, was die Quelle der Belastung ist. Der CO2-Ausstoß von Fahrzeugen ist genauso schädlich, wie die Emissionen der heimischen Gasheizung. Soll allerdings nur eine bestimmte Quelle externer Effekte verboten werden, ist dies ein Zeichen dafür, dass externe Effekte als Argument für ein Verbot nur vorgeschoben werden, tatsächlich aber Präferenzen der Zielwählerschaft bedient werden.
Zweitens können Politiker bei echten externen Effekten durch die Forderung nach der extremsten Lösung ihre Ernsthaftigkeit signalisieren – „klare Kante“ zeigen. Dies mag aus Sicht des Politikers erfolgversprechend sein, selbst wenn dem Politiker bewusst ist, dass es eine bessere Alternative zu einem Verbot gibt. Entscheidend ist, dass die potentiellen Wähler die extreme Position an der Wahlurne honorieren. Wird das geforderte Verbot anschließend nicht umgesetzt, kann der Politiker darauf verweisen, alles versucht zu haben.
Drittens können Verbote auch Teil einer strategischen Überlegung sein, die der eines Autoverkäufers ähnelt, der die Preisverhandlung mit einem übertrieben hohen Preis beginnt. Wollen Politiker eine Politikmaßnahme durchsetzen, kann es sich für sie lohnen, mit einer Maximalforderung zu beginnen, um das Feld der möglichen politischen Lösungen etwas zu erweitern. Will ein Politiker etwa eine höhere Besteuerung des inländischen Flugverkehrs erreichen, könnte er ein Verbot fordern, um als Kompromiss eine höhere Steuer zu erreichen.
Mehr Toleranz, weniger Verbote
Verbote sind anscheinend leider in Mode. Entsprechend haben Politiker aus verschiedenen Gründen Anreize, Verbote zu fordern. Als Wähler sollten wir mit der Zustimmung zu Verboten und der Belohnung der Forderung nach Verboten an der Wahlurne jedoch zurückhaltend sein – auch wenn wir das zu Verbietende nicht wertschätzen. Wo externe Effekte keine Rolle spielen, sollten wir uns in Toleranz üben und anerkennen, dass die Vorlieben unserer Mitmenschen sich zuweilen deutlich von unseren eigenen unterscheiden. Wo externe Effekte zum Tragen kommen, sollte ein Verbot Ultima Ratio sein und Formen der Internalisierung der externen Effekte durch Bepreisung in der Regel den Vorzug erhalten.
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Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.