Dieses Jahr feiern wir den 30. Jahrestag der friedlichen Revolution in der DDR. Eine ganze Generation junger Erwachsener – in Ost und West – kennt den realexistierenden Sozialismus in Deutschland nur noch aus Erzählungen. Das Jubiläum ist für uns Anlass, die Lebenssituation der DDR-Bürger in vielen Bereichen in Erinnerung zu rufen. Hier widmen wir uns dem Wohnen.
Seit Honeckers Amtsantritt im Jahr 1971 hatte der Wohnungsbau für die Sozialpolitik der DDR höchsten Stellenwert. Trotz der hohen Priorität der DDR-Oberen waren die Resultate ernüchternd. Das Auseinanderklaffen zwischen Anspruch und Wirklichkeit veranschaulicht der innerdeutsche Vergleich: Die DDR-Wohnungen waren nicht nur kleiner, schlechter ausgestattet und hoch renovierungsbedürftig, sondern oft auch fehlbelegt. Die gute Nachricht: Seit der Wende hat sich die Wohnsituation für Menschen in den neuen Ländern deutlich verbessert.
DDR: Kleinere Wohnungen
Den Bürgern der Bundesrepublik standen 1987 mit durchschnittlich 36,8 Quadratmetern etwa 10 Quadratmeter, oder 38 Prozent, mehr Wohnfläche pro Einwohner zur Verfügung als den Bürgern der DDR.
Der Abstand bezüglich der Wohnfläche zwischen Ost und West verringerte sich nach der Wiedervereinigung bis zum Jahr 2017 auf nur noch 8,5 Prozent. Während in dieser Zeit auch in den alten Bundesländern die Wohnfläche pro Einwohner stieg, fiel der Anstieg für die neuen Bundesländer deutlich stärker aus.
Miese Qualität
Wohnungen in der DDR waren nicht nur deutlich kleiner als in Westdeutschland, sondern auch schlechter ausgestattet. Im Jahr 1990 waren nur etwa 83 Prozent aller Wohnungen mit einem Badezimmer ausgestattet. In 84 Prozent der Wohnungen war ein WC vorzufinden und bloß die Hälfte der Wohnungen wurde zentral beheizt. Im Westen befand sich in nahezu jeder Wohnung ein Badezimmer und 90 Prozent der Wohnungen waren an eine Zentralheizung angeschlossen.
Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) offenbaren neben der vergleichsweise dürftigen Ausstattung den schlechten Zustand der Wohnungen. Das SOEP erfasst die Einschätzung des Gebäudezustands durch den Haushaltsvorstand. Im Jahr 1990 bewerteten 28 Prozent der Haushalte in Ostdeutschland ihr Wohngebäude als „ganz renovierungsbedürftig oder abbruchreif“. In Westdeutschland waren es 4 Prozent. Die nach der Wende zunächst deutliche Lücke schloss sich bereits in den 2000er Jahren fast vollständig.
DDR-Bürger mit der eigenen Wohnung weniger zufrieden
Die unterschiedlichen Wohnverhältnisse in Ost und West spiegeln sich auch in der subjektiven Bewertung der Bürger wider. Umfrageergebnisse des Wohlfahrtssurveys offenbaren, dass Bewohner auf dem Gebiet der ehemaligen DDR 1990 ihre Wohnsituation mit 6,6 von 10 möglichen Punkten bewerteten, deutlich schlechter als bereits zwei Jahre zuvor in Westdeutschland mit 8,2. Dass die Zufriedenheit bezüglich der Wohnsituation 1990 noch niedrig war, ist angesichts der damals noch nicht erfolgten Renovierung des alten DDR-Bestandes keine Überraschung.
In den Jahren nach dem Mauerfall erhöhte sich die Zufriedenheit der Menschen mit ihrer Wohnsituation in den neuen Bundesländern. Daten des SOEP zufolge waren die Bewohner der neuen Bundesländer 2008 etwa genauso zufrieden mit ihrer Wohnsituation wie die Bewohner in den alten Bundesländern – im Falle von Mietern etwas zufriedener, im Falle von Selbstnutzern etwas weniger zufrieden.
Platte hui, Altbau pfui
Im Jahr 1990 befanden sich 59 Prozent aller Wohnungen in der DDR in „Volkseigentum“, also in Besitz volkseigener Betriebe oder Genossenschaften. Etwa 24 Prozent der Wohnungen gehörten privaten Personen, die diese selbst nutzten. Weitere 17 Prozent der Wohnungen waren im privaten Besitz und vermietet. Die Rechte der privaten Vermieter waren jedoch stark beschränkt. Weder hatten die Eigentümer einen Einfluss darauf, wer in die Mietwohnungen einzog, noch wie hoch die Miete ausfiel.
Während in der Bundesrepublik der Mietpreisstopp ab 1960 abgebaut und 1971 das in seinen Grundzügen bis zur Einführung der Mietpreisbremse 2015 fortbestehende Regelwerk eingeführt wurde, blieben die Mieten für Bestandsgebäude in der DDR, die vor dem Krieg erbaut worden waren auf dem Preisniveau von 1936 eingefroren. Das betraf rund die Hälfte des DDR-Wohnungsbestands. In Modernisierung und Instandhaltung investierten die privaten Vermieter angesichts der niedrigen Mieten und der schlechten Verfügbarkeit von Baumaterial kaum. Es passt ins Bild, dass bis 1989/90 der Verfall gut eine halbe Million ältere Wohnungen unbewohnbar gemacht hatte.
Wenn man heute die schönen Innenstädte in den ostdeutschen Bundesländern sieht, ist es nur schwer vorstellbar, dass die berühmten „Platten“ der DDR begehrter Wohnraum waren. Obwohl trotz der umfangreichen Subventionen auch die junge Bausubstanz unter der mangelnden Modernisierung und Instandhaltung litt, waren Wohnungen in der Platte attraktiv. Mieter hatten hier für DDR-Verhältnisse Zugang zu relativ hochwertigen Wohnungen zu niedrigen Mieten – Kaltmieten für Neubauten waren bis zur Wiedervereinigung auf durchschnittlich 90 Pfennig pro Quadratmeter festgelegt.
Staatliche Zuteilung von Wohnraum
Anders als in der BRD kam in der DDR nicht der Preismechanismus als Instrument für die Verteilung von Wohnraum zum Einsatz. Die SED-Regierung setzte auf die staatliche Zuweisung von Wohnungen. Entscheidend war somit nicht, ob ein Interessent in der Lage und bereit war, für die seinen Vorstellungen entsprechende Wohnung eine den Vermieter überzeugende Miete zu entrichten.
Stattdessen teilten die kommunalen Wohnungsbehörden den verfügbaren Wohnraum an Interessenten nach den Kriterien von sozialer Dringlichkeit, Arbeitskräftesicherung und „gesellschaftlichen Verdiensten“ zu, deren Auslegung durchaus Freiräume ließ. Nach der sozialen Dringlichkeit wurden vor allem junge Ehepaare und Familien bevorzugt. Mit Priorität im Rahmen der Arbeitskräftesicherung wurden Mitarbeiter zentraler staatlicher Institutionen sowie Facharbeiter und Hochschulabsolventen behandelt. Nach dem Kriterium „gesellschaftlicher Verdienste“ wurden Wohnungen vor allem unter politischen Gesichtspunkten wie Parteimitgliedschaft und Engagement im Sinne der SED-Regierung vergeben.
So hatte nicht jeder das Glück oder die gewünschte politische Gesinnung, um eine für ihn wünschenswerte Wohnung von den Behörden zugeteilt zu bekommen. Für die Zuteilung einer Wohnung mussten DDR-Bürger Ende der 1980er Jahre zudem Wartezeiten von 4 bis 6 Jahren in Kauf nehmen.
Wer einmal eine Wohnung zugeteilt bekommen hatte, versuchte sie zu behalten, vor allem wenn sie komfortabel groß war. So gab es kaum einen finanziellen Anreiz, in eine kleinere Wohnung zu ziehen, wenn die Kinder auszogen, ein Ehepartner die gemeinsame Wohnung verließ oder die Eltern verstarben. Verbreitet war auch, dass Paare nach dem Zusammenzug ihre zweite Wohnung behielten, um im Falle einer Trennung gewappnet zu sein oder sie im Tausch für etwas anderes Erstrebenswertes einsetzen zu können. Ähnlich wie Bestandsmieter in Zeiten schnell steigender Neuvertragsmieten heute, verschärfte dieses Verhalten der „Insider“ die Wohnungsknappheit in der DDR.
Einige Menschen umgingen die unbefriedigende Wohnraumlenkung, indem sie „schwarz“ wohnten. Der Historiker Prof. Udo Grashoff schätzt, dass sich in der gesamten DDR mehr als zehntausend zumeist jüngere Einwohner abseits der staatlichen Wohnraumlenkung in heruntergekommen Altbauten einquartiert hatten.
Grund für Optimismus
Obwohl der Wohnungsbau eine hohe Priorität in der DDR hatte, waren die Ergebnisse ernüchternd. Das 30-jährige Jubiläum des Mauerfalls ist aber auch Anlass zur Erinnerung, wie stark sich die Wohnungssituation auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zum Positiven gewandelt hat. So profitieren die Menschen in den neuen Bundesländern heute von geräumigeren und höherwertigen Wohnungen und einer breiteren Palette an Wahlmöglichkeiten.
Das ist insbesondere der Etablierung marktwirtschaftlicher Strukturen in den neuen Bundesländern zu verdanken, die Investitionen in Instandhaltung, Modernisierung und Ausweitung des Wohnraums nicht nur grundsätzlich ermöglichen, sondern auch die finanziellen Anreize zu ihrer Umsetzung bieten.
Erschienen bei: IREF. Mitautoren: Dr. Alexander Fink & Alexander Mengden.