Soziale Verantwortung: Unternehmen zu „Freiwilligkeit“ verpflichten?

Soziale Verantwortung: Unternehmen zu „Freiwilligkeit“ verpflichten?

„Tue Gutes und sprich darüber“ ist seit dem letzten Jahr mit der Umsetzung der europäischen CSR-Richtlinie für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern verpflichtend. Das Stichwort ist Corporate Social Responsibility. Die Unternehmen sind verpflichtet, jährlich über ihr freiwilliges Engagement zu berichten. CSR-Regeln sollen dafür sorgen, dass sich Unternehmen freiwillig über gesetzliche Bestimmungen hinaus für Sozial- und Umweltbelange einsetzen. Der Staat sollte sich jedoch auf seine Hauptaufgabe beschränken, Regeln zu definieren und durchzusetzen, die ein friedliches Zusammenleben ermöglichen. Eine Rechenschaftspflicht über „freiwillige“ wohltätige Verhaltensweisen gehört nicht dazu.

Was ist CSR? 

Als Corporate Social Responsibility (CSR) wird die Verantwortung von Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Handlungen auf die Gesellschaft bezeichnet. Darunter werden sowohl soziale als auch ökologische und ökonomische Aspekte des unternehmerischen Handelns verstanden. Viele Unternehmen verwenden den Begriff CSR und Nachhaltigkeit synonym. Das Engagement der Unternehmen geht dabei über die gesetzlichen Vorschriften hinaus. Die Aktivitäten sind vielfältig und reichen von Mitarbeiterzufriedenheit, Energieeffizienz oder Mindeststandards in der Lieferkette bis hin zu Spendenaktionen für Bedürftige. 

Doch um eine ausschließlich freiwillige Übernahme von Verantwortung handelt es sich nicht mehr. Unternehmen müssen nicht mehr nur über ihre freiwilligen nicht-finanziellen Tätigkeiten berichten. Seit der letzten Reform des Vergaberechts im Jahr 2016 können CSR-Kriterien zudem in Vergabeanforderungen öffentlicher Ausschreibungen aufgenommen werden.

CSR: Billige und motivierte Mitarbeiter

Mit CSR-Aktvitäten verfolgen Unternehmen andere Ziele als zusätzliche Gewinne – so die Idee. Allerdings können CRS-Aktivitäten Nebenwirkungen haben, die nicht im Sinne der CSR-Idee sind.

So haben drei amerikanische Ökonomen den Effekt von CSR auf das Verhalten von Angestellten untersucht. Zunächst gründeten sie eine Firma und schalteten auf einem Internetportal verschiedene Jobangebote mit unterschiedlichen Lohnangaben. Zudem versahen die Wissenschaftler manche Jobbeschreibungen mit dem Zusatz, dass die Einnahmen der Firma dafür verwendet werden, unterprivilegierten Kindern den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Dieses Statement führte zu gut 33 Prozent mehr Bewerbungen im Vergleich zu normalen Jobanzeigen. Die gleiche Anzahl an Bewerbern konnte mit einem 27 Prozent geringeren Lohn gefunden werden.

Außerdem waren Bewerber auf Stellen mit CSR-Beschreibung anschließend 10 bis 25 Prozent produktiver. Möglicherweise signalisieren CSR-Regeln, dass ein Unternehmen ein angenehmer Arbeitgeber ist und sie veranlassen motivierte Bewerber dazu, einen geringeren Lohn zu akzeptieren. Es ist jedoch fraglich, ob geringere Löhne für besonders engagierte Personen von den politischen Unterstützern der CSR-Regeln beabsichtigt sind. 

CSR: Lizenz für unmoralisches Verhalten?

Lassen sich durch CSR die Lohnkosten senken, spricht aus Unternehmenssicht einiges für CSR-Regeln. Doch ein Experiment von zwei amerikanischen Wissenschaftlern zeigt anschaulich, dass die Einführung von CSR-Regeln in einem Unternehmen unerwünschte Effekte auf die Qualität der Arbeit von Mitarbeitern haben kann.

Die Wissenschaftler gründeten ebenfalls eigens für das Experiment ein Unternehmen und warben auf einer Onlineplattform 3.000 Arbeitnehmer an, die eine relativ einfache Aufgabe erledigen sollten. Die amerikanischen Forscher fotografierten Seiten aus deutschen Büchern, die die amerikanischen Angestellten abtippen sollten. Dabei bestand die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu betrügen. Wenn die Mitarbeiter den Text für unleserlich hielten, konnten sie das betreffende Foto überspringen und wurden trotzdem bezahlt. Die Texte waren alle leserlich. Wenn die Angestellten also ein Bild nicht abtippen, betrogen sie ihren Arbeitgeber. 

Der Anteil der Betrugsfälle lag um 20 Prozent höher in der Gruppe der Mitarbeiter, die dachte, sie würde für einen sozial verantwortlichen Arbeitgeber arbeiten. 

Dieses Phänomen wird auch als „moral-licensing“ bezeichnet. Menschen die überzeugt sind, in einem Bereich etwas Gutes getan zu haben, fühlen sich bei anderen Aktivitäten weniger zu moralischem Verhalten verpflichtet. 

Verdeckter Lobbyismus

Zudem ist zweifelhaft, ob Unternehmen mit ihren CSR-Aktivitäten tatsächlich wohltätige Ziele verfolgen. Einige Firmen scheinen unter dem Deckmantel sozialer Aktivitäten Lobbyismus zu betreiben. Dies zeigen vier amerikanische Ökonomen in einem aktuellen Papier. Unternehmen spenden vor allem an gemeinnützige Organisationen in Kongressbezirken in den USA, deren Vertreter in einem für das Unternehmen wichtigen Ausschuss sitzen. 

Aufgabe von Unternehmen und Aufgaben des Staates

In einer Marktwirtschaft hält der Wettbewerb unter Anbietern sie dazu an, ihren Kunden ein möglichst attraktives Produkt zu einem niedrigen Preis anzubieten und Ressourcen möglichst effizient einzusetzen – also nicht zu verschwenden. Das ist ihre primäre Aufgabe.

Wie die Unternehmen, sollte sich auch der Staat auf Aufgaben konzentrieren, die er relativ gut wahrnehmen kann. Zu seinen Kernaufgaben gehört, einen Regelrahmen zu setzen und durchzusetzen, der ein friedliches Zusammenleben ermöglicht. Schadhaftes Verhalten einzelner soll er unterbinden. Es gehört nicht zu den Staatsaufgaben, erwünschtes Verhalten beispielsweise in Form von CSR-Aktivitäten einzufordern. 

Verantwortliches Handeln: Viele Gesichter

Für manche Unternehmen gilt die alte Weisheit, dass sie Gutes tun und darüber sprechen sollten – etwa, wenn Kunden diese Aktivitäten honorieren. Andere Unternehmen können zu der Überzeugung kommen, dass „Tue Gutes und schweig“ die richtige Strategie ist. Schließlich mögen einige Unternehmen gänzlich auf CSR verzichten, da für sie die Nachteile die Vorteile überwiegen. 

Diese vielfältigen Entscheidungen sollte der Gesetzgeber im Falle unternehmerischer Entscheidungen ebenso respektieren wie im Falle individueller privater Entscheidungen. Unterschiedliche Entscheidungen bedeuten nicht, dass die einen verantwortlich handeln und die anderen nicht. 

Für und Wider CSR gibt es gute Gründe. Eine staatlich verordnete Hochglanzbroschüre ist für verantwortliches unternehmerisches Handeln gewiss nicht nötig.

Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.

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