DER DEUTSCHE HEIZMARKT – KÖNNEN WIR UNS VOM RUSSISCHEN GAS LÖSEN?

DER DEUTSCHE HEIZMARKT – KÖNNEN WIR UNS VOM RUSSISCHEN GAS LÖSEN?

US-Präsident Biden verkündete am 08. März 2022 ein Importstopp von russischem Öl und Gas aufgrund des immer noch andauernden Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine. Mit diesem Embargo auf zwei Hauptenergieträger wollen die USA die Staats- und Kriegsfinanzierung Russlands empfindlich treffen.

Die vermeintliche Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen hält deutsche Politiker von einem solchen Schritt derzeit ab. Während russisches Gas bei der europäischen Stromerzeugung temporär auch kurzfristig durch Alternativen ersetzt werden kann, ist dies im Heizmarkt nicht ohne Weiteres möglich. Ein kurzfristiger Ausfall von Importen aus Russland ist jedoch dank eines flexiblen europäischen Binnenmarktes ausgleichbar.

Deutschlands Heizstruktur – Wie abhängig ist der Heizmarkt von fossilen Energieträgern?

Aktuell erzeugt Deutschland 15% seines Stroms durch Erdgas und weniger als 1% durch Mineralöle. Dieser Anteil an der Stromerzeugung kann durch Alternativen auch kurzfristig ersetzt werden. Etwa durch längere Laufzeiten und das Wiederanfahren von Kernkraftwerken, die im vergangenen Jahr immerhin 11% des Stroms erzeugten. Auch könnten vorübergehend stillgelegte Kohlekraftwerke wieder angefahren werden.

Schwieriger ist die Situation im Heizmarkt. So werden drei Viertel des Wohnungsbestandes in Deutschland mit Öl oder Gas beheizt. Mit umweltfreundlicheren Alternativen wie Wärmepumpen und Fernwärme werden gerade einmal 17% des Bestandes geheizt. Wärmepumpen alleine kommen noch nicht einmal auf 3% und zudem wird Fernwärme oft ebenfalls mit fossilen Brennstoffen bereitgestellt. Angesichts der eher moderaten Veränderungen der vergangenen Jahre scheint eine schnelle Anpassung fast ausgeschlossen. Der Anteil an Öl- und Gasheizungen sank in den Jahren 2005 bis 2020 von knapp unter 80% auf noch nicht einmal unter 70%.

Neubauten mit Wärmepumpen

Trotz dieser starken Dominanz von fossilen Energieträgern im Heizmarkt kommt Bewegung in den Markt. So wurden im Jahr 2020 zum ersten Mal mehr Wärmepumpen als Gasheizungen in Neubauten verbaut. Auch Fernwärme erfreut sich zunehmender Beliebtheit. So wird fast jede vierte Neubauwohnung mit Fernwärme versorgt.

Auch wenn der Einbau von Gasheizungen von über 70% im Jahr 2005 auf 33% im Jahr 2020 stark zurückging, ist dieser Anteil immer noch sehr groß. Zudem beeinflussen diese positiven Trends die Bestandsstruktur im deutschen Heizmarkt bisher kaum. Gasheizungen haben eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren. Entsprechend lange würde es dauern, bis sich etwa ein Einbaustopp relevant auf den Gesamtbestand auswirken würde.

Gas ist für den Heizmarkt unersetzbar – russisches Gas hingegen nicht

Schnelle Lösungen ganz ohne Gas sind unmöglich. Doch das Gas muss nicht zwangsläufig aus Russland via Pipelines nach Deutschland transportiert werden. Vielmehr kann verflüssigtes Gas (LNG) auch mit Hilfe großer Tankschiffe nach Deutschland gelangen. Bundeswirtschaftsminister Habeck bereist derzeit mit einer Handelsdelegation die Golfregion, um Flüssiggas für Deutschland zu sichern.

Zwar hat Deutschland kein eigenes LNG-Terminal, um Flüssiggas direkt zu importieren, doch andere EU-Länder sehr wohl. In den letzten Jahren wurde das Gasnetz in Europa umfangreich umgebaut, sodass nicht nur Gas von Ost nach West fließen kann, sondern auch andersherum. So ist es möglich, dass Gas in Süd- und Westeuropa in das gemeinsame Netz eingespeist wird und schließlich weiter östlich, etwa in Deutschland, verbraucht wird.

So kann ein Ausfall von Gasimporten aus Russland teilweise durch Flüssiggasimporte über die Verladeterminals unsere süd- und westeuropäischen Nachbarn ausgeglichen werden. Die notwendigen Leitungen und Kapazitäten stehen dafür bereit. Langfristig können Importe auch über eigene LNG-Terminals, die die Bundesregierung nun vorantreiben will, gesichert werden. Deutschland ist sowohl kurz- als auch mittelfristig auf Gas im Heizmarkt angewiesen, aber nicht zwangsläufig auf russisches Gas.

Erschienen bei: IREF. Mitautor: Florian Rösch

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