Brexit offenbart verborgene Kosten der Zollerhebung

Brexit offenbart verborgene Kosten der Zollerhebung

Die Erhebung von Zöllen verursacht nicht nur direkte Kosten in Form der zu entrichtenden Abgaben, sondern auch indirekte Kosten. So werden Beamte für die Zollabwicklung eingesetzt, Importeure beschäftigen Mitarbeiter, die sich um die entsprechenden Formalitäten bemühen und der Transport an die Kunden wird verzögert. Das wird dieser Tage besonders deutlich im Hinblick auf ein drohendes Chaos an den Häfen im Falle eines harten Brexits. Die britische Regierung hat bereits auf einem alten Flughafen den Umgang mit LKW-Staus geprobt, der in den ersten Wochen erwartet wird, wenn zwischen Großbritannien und der EU wieder Zölle erhoben würden. Vorsichtigen Schätzungen zu Folge beliefen sich 2017 allein die Kosten, die auf Grund von Verzögerungen durch die Zollabfertigung für Importe in die Europäische Union entstehen, auf etwa 33 Milliarden Euro. Dem stehen 25,5 Milliarden Euro Zolleinnahmen der EU gegenüber – keine glänzende Bilanz.

Alternative Mittelverwendung: Zöllner oder Lehrer?

Auf Seiten des Staates entstehen durch Zölle Einnahmen. Gut 25,5 Milliarden Euro Zolleinnahmen wurden im Jahr 2017 von den Mitgliedsstaaten für den Haushalt der EU erhoben. Nach Abzug einer Pauschale (20 Prozent) für die Erhebungskosten, konnten im Jahr 2017 gut 20,3 Milliarden Euro im EU-Haushalt durch Zölle verbucht werden, etwa 15 Prozent der Gesamteinnahmen der EU.

Gesamtgesellschaftlich verursacht die Zollerhebung jedoch eine Reihe von Kosten. So bliebe den heutigen Zollzahlern in Abwesenheit der Zölle mehr direkte Kontrolle über den Einsatz von Ressourcen und die heutigen Zöllner wären in anderen Berufen tätig, zum Beispiel in der Pflege oder an Schulen. Der Zielkonflikt bildlich: Weniger Brexit-LKW-Stau durch mehr Zöllner oder mehr Lehrer – die britische Regierung wird sich entscheiden müssen. So entscheidet sich bisher auch die Europäische Union für Zollbeamte und gegen die alternative Verwendung des Arbeitseinsatzes der heute als Zöllner tätigen Personen. 

Die indirekten Kosten der Zollerhebung

Die Importeure und ihre Kunden tragen Kosten der Zollerhebung, die über die direkten Zollabgaben in Höhe von gut 25,5 Milliarden Euro hinausgehen. 

So müssen Waren von Mitarbeitern kategorisiert werden. Unterschiedliche Zollsätze werden auf sehr ähnliche Waren angewendet. Die Importeure müssen zwecks Zollerfassung Waren im Wert von gut 1.850 Milliarden Euro beim Import in die Europäische Union kategorisieren. Diese Form der nichttarifären Kosten der Importeure trägt dazu bei, dass ausländische Produkte in der EU teurer und damit unattraktiver werden. 

Der für ausländische Hersteller und europäische Konsumenten potentiell vorteilhafte Austausch, der aufgrund der Zölle nicht zustande kommt, führt zu weiteren nicht sichtbaren Kosten der Zollerhebung.

Zeit ist Geld

Zudem verzögert die Zollerhebung den Transport zum Kunden, wie der simulierte Brexit-LKW-Stau veranschaulicht. Container stapeln sich in Häfen und warten auf die Abfertigung durch die Zollbehörden. Dies dauert im weltweiten Durchschnitt 3 bis 4 Tage. Diese Zahlen decken sich mit Berichten über die Verzögerungen auf Grund der Zollerhebung im Hamburger Hafen. 

Eine Untersuchung aus dem Jahr 2012 hat errechnet, dass ein zusätzlicher Transporttag für ein Gut Kosten in Höhe von 0,6 bis 2,3 Prozent des Werts des Produkts verursacht. Eine vorsichtige Schätzung von durchschnittlich 3 Tagen für die Zollabfertigung bei 0,6 Prozent Zusatzkosten ergibt Gesamtkosten in Höhe von 1,8 Prozent durch die zeitliche Verzögerung, welche durch die Zollabfertigung verursacht wird. Bei Importen von 1.850 Milliarden Euro im Jahr 2017 ergeben sich damit Verzögerungskosten für EU-Importe in Höhe von etwa 33 Milliarden Euro. Dies ist natürlich nur eine grobe Schätzung, aber sie gibt einen Hinweis auf die Größenordnung der Kosten, die durch die Verzögerung der Zollerhebung entstehen. 

Zollerhebung fiskalisch unattraktiv

Die indirekten Kosten der Zollerhebung sind im Gegensatz zu den direkten Kosten nicht abhängig von der Höhe der erhobenen Zölle. Selbst Zölle von Null verursachen indirekte Kosten. Um in den Genuss eines Zollsatzes von Null zu kommen, müssen die Waren von den Importeuren richtig deklariert und vom Zoll dennoch abgefertigt werden. 

Da die Zollsätze in den vergangenen Jahren merklich gesunken sind, ist die Erhebung von Zöllen zur Finanzierung staatlicher Aktivitäten unattraktiver geworden. So sind die durchschnittlichen weltweiten Zölle in den vergangenen Jahrzehnten auf heute etwa 5 Prozent gesunken. Die Europäische Union erhebt im Durschnitt nur noch gut 3 Prozent Zoll auf importierte Waren von WTO-Mitgliedern, mit denen sie kein Freihandelsabkommen geschlossen hat. 

Schafft die Zölle für Alle ab – Brexit-Lösung?

Im Lichte der hohen indirekten Kosten der Verzollung von importierten Waren sowie der relativ geringen staatlichen Einnahmen, stellt sich die Frage, ob Zölle eine zeitgemäße Einnahmequelle für die Finanzierung staatlicher Aufgaben sind. 

Von einem Verzicht auf die Erhebung von Zöllen für Importe aus allen Ländern würden vor allem die Konsumenten in Europa profitieren. Dies könnte außerdem eines der drängendsten Probleme eines harten Brexits lösen. Großbritannien und die EU müssten von heute auf morgen die Zollsätze anwenden, die sie auf Importe aus anderen Mitgliedern der Welthandelsorganisation (WTO) verlangen. Gemäß der Meistbegünstigungsklausel der WTO, müssen sich alle WTO-Mitglieder gegenseitig die gleichen Einfuhrbedingungen gewährleisten. Die EU und Großbritannien dürften, wenn sie kein Abkommen geschlossen haben, nicht auf die Erhebung von Zöllen verzichten. Der einzige WTO-kompatible Ausweg ohne Zölle an den Grenzen zwischen Großbritannien und der EU und ohne Freihandelsabkommen ist der gänzliche Verzicht auf Zölle. Gewiss wären damit bei weitem nicht alle Probleme eines harten Brexits gelöst, aber es wäre ein Anfang, der sich auch auf die Handelsbeziehungen zu anderen Regionen positiv auswirken würde.

Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.

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