Der Start der Impfkampagne gegen Corona ist ein Hoffnungssignal. Doch gleichzeitig macht sich nicht nur Frust über die bestellten Impfstoffmengen breit. Auch bei der Umsetzung der Impfungen stockt es. In vielen Bundesländern konnten sich die ersten Impfberechtigten nicht nur über Hotlines anmelden, sondern auch über Internetportale für Termine registrieren. Die Internetportale brachen allerdings wie etwa in Hessen, Saarland, NRW und Sachsen nach dem Start der Registrierung unter dem Ansturm der impfwilligen Über-80-Jährigen zusammen. Eine kleine Anpassung der Regeln der Registrierungsverfahren könnte ein solches Malheure beim Start der Registrierungen der nächsten berechtigten Gruppen verhindern.
Zwar mögen abstützende Server bei der Registrierung nur als ein kleines Ärgernis erscheinen, doch erhöhen Berichte über das „Chaos bei Impfterminvergabe“ die Impfbereitschaft gewiss nicht. Im Gegenteil. Nicht nur ältere Mitbürger könnten frustriert aufgeben, wenn sie sich an die Onlineterminvergabe heranwagen und dann Fehlermeldungen erhalten.
Wenn demnächst der Startschuss für die größeren Bevölkerungsgruppen fällt, die sich vermutlich relativ häufiger online registrieren wollen, sollte sich das traurige Spiel nicht wiederholen.
Impfterminvergabe mit „Aldi-PC-Syndrom“
Innerhalb der priorisierten Gruppen gilt in der Regel bei der Anmeldung das „Windhundprinzip“: Wer sich zuerst anmeldet, wird zuerst geimpft. Das Windhundprinzip, oder auch „first come, first served“, begegnet uns im Alltag häufig. Auch die mit dem Prinzip einhergehenden Anreize sind uns wohl bekannt. Wenn etwa bei Aldi ein günstiger PC angekündigt wird, bilden sich früh morgens quer durch die Republik Schlangen vor Aldi-Filialen. Neue Smartphones eines kalifornischen Herstellers sorgen alljährlich für lange Schlangen und Campingatmosphäre vor den entsprechenden Läden. Beliebte Konzertkarten sind ebenso schnell ausverkauft und wenn sie online vertrieben werden, brechen die Webseiten regelmäßig unter dem Ansturm der Fans zusammen.
Was treibt die Freunde der Tanzmusik, günstiger Aldi-Computer und neuer Smartphones an, möglichst früh zum Zuge zu kommen? Es ist die berechtigte Befürchtung, leer auszugehen oder erst deutlich später zum Zuge zu kommen.
Immer dann, wenn erwartet wird, dass es zu einem bestimmten Preis mehr Kaufwillige gibt als Produkte, hat jeder Interessent einen Anreiz, möglichst einer der ersten zu sein. Auch in der Corona-Krise sind uns die Anreize, die von „first come, first served“ ausgehen wohl bekannt – die „Klopapier-Knappheit“ ist uns allen in Erinnerung.
Bessere Vergaberegeln könnten Chaos beenden
Bei der Anmeldung zu einem Impftermin verhalten sich die Menschen nicht anders, als wenn bei Aldi günstige Computer angeboten werden. Statt einer Warteschlange gibt es einen digitalen Ansturm auf die Registrierungsportale, die unter der Last zusammenbrechen. Drei mögliche Lösungen für das Problem sind denkbar.
Erstens, eine Gebührenerhebung zu Beginn der Registrierungsperiode wäre möglich, um den Ansturm auszubremsen. Nicht jede Woche gibt es einen Ansturm auf die Filialen von Aldi, obwohl dort regelmäßig Computer feilgeboten werden. Vermutlich sind diese nicht immer besonders günstig. Es muss daher niemand fürchten, nicht zum Zuge zu kommen. Derzeit ist die Impfterminvereinbarung kostenlos und der Ansturm entsprechend hoch. Gebühren sind jedoch politisch vermutlich nicht durchsetzbar und nur beschränkt zielführend, weil sie die Impfbereitschaft senken können.
Zweitens, die Serverkapazitäten könnten erhöht werden, um die Spitzenlasten zu Beginn der Registrierungsperioden besser bewältigen zu können. Um im Aldi-Bild zu bleiben: Mehr Kassen öffnen, sodass die Schlangen kürzer werden. Zwar ist die Lösung prinzipiell machbar, allerdings ist die Umsetzung angesichts der begrenzten Digitalkompetenz der öffentlichen Verwaltungen leider wohl kaum realistisch. Möglicherweise könnten aber professionelle Anbieter an dieser Stelle aushelfen. So hat etwa Schleswig-Holstein den Konzertveranstalter Eventim beauftragt die Impfterminvergabe abzuwickeln.
Drittens, die Regel, die den Ansturm auslöst, könnte leicht modifiziert werden. Bisher ist es für die Impfinteressierten attraktiv, möglichst schnell eine Registrierung abzuschließen. Eine Registrierung eine Stunde später, kann zu einem Impftermin mehrere Wochen später führen. Die Zuteilung könnte ohne maßgeblich höheren Ressourceneinsatz alternativ nicht sekundengenau erfolgen, sondern zufällig innerhalb eines bestimmten längeren Zeitraumes. So könnte angekündigt werden, dass alle Registrierungen innerhalb der ersten 72 Stunden gleich behandelt werden. Die Zugriffe auf die Registrierungswebseiten würden sich gleichmäßiger über den Zeitraum verteilen. Je größer die potentielle Gruppe der Impfberechtigten ist, desto länger könnte der Zeitraum sein, indem die Termine zunächst zufällig vergeben werden. Start und Ende des Zeitraums könnten zudem in unattraktive Nachtstunden verlegt werden, sodass sich auch die Menschen, denen noch kurz vor der Frist einfällt sich zu registrieren, über einen Abend verteilen.
Impfen: Auch Kleinvieh macht Mist
Eine verbesserte Impfterminvergabe durch Partnerschaften zwischen privaten Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen wie in Schleswig-Holstein und geschickte Regelanpassungen würde nur einen kleinen Beitrag zu einer reibungsloseren Impfkampagne leisten. Angesichts deutlicher Unterschiede beim Impffortschritt zwischen den Bundesländern scheint es jedoch vielerorts gerade an einer fortdauernden Implementierung schrittweiser Verbesserungen zu fehlen – ein Missstand, der unabhängig von der Anzahl bereitstehender Impfdosen relevant ist und bleiben wird, wenn nicht mit Hochdruck ständig an Verbesserungen gearbeitet wird.
Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.