Wenn von „Apothekenpreisen“ die Rede ist, dann sind in der Regel nicht Preise in der Apotheke gemeint. Es ist ein Synonym für „hohe Preise“. Diese unrühmliche Assoziation hat Gründe. Die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente sind in Deutschland durch eine Vielzahl von gesetzlichen Bestimmungen reglementiert. Dies führt zu höheren Preisen und – anders als intendiert – nicht zu einer besseren Versorgung. Das Nachsehen haben die Patienten.
Wie der Preis entsteht…
Die Preise verschreibungspflichtiger Medikamente werden in Deutschland durch die Arzneimittelpreisverordnung reguliert. Die Hersteller können den Verkaufspreis für ein patentiertes Arzneimittel zunächst für ein Jahr frei bestimmen. Der Verkaufspreis der Hersteller wird auch als einheitlicher Abgabepreis bezeichnet, da sie diesen Preis allen Großhändlern berechnen müssen. Ab dem 13. Monat wird ein mit den gesetzlichen Krankenversicherungen ausgehandelter einheitlicher Abgabepreis angewendet. Dieser gilt auch für die privaten Krankenversicherungen.
… Großhandelsaufschlag
Zunächst verkauft der Hersteller sein Medikament an den Großhandel. Dieser sorgt dafür, dass die rund 20.000 Apotheken in Deutschland mit Medikamenten versorgt werden. Großhändler dürfen die Preise nicht frei festlegen, die sie Apotheken in Rechnung stellen. Auf den Abgabepreis der Hersteller dürfen maximal 3,15 Prozent und ein Fixbetrag in Höhe von 70 Cent aufgeschlagen werden.
Der Aufschlag des Großhändlers ist allerdings auf einen Maximalbetrag von 37,80 Euro pro Einheit begrenzt. Nach einem Urteil des BGH dürfen Großhändler Apotheken auch einen Rabatt gewähren und sind nicht verpflichtet, den Großhandelsaufschlag in Höhe von 3,15 Prozent voll aufzuschlagen.
… Aufschläge der Apotheken
Sollten die Großhändler den Apotheken nicht den vollen Großhandelsaufschlag berechnen, dürfen die Apotheken diesen Vorteil aber nicht an die Kunden weitergeben. Sie müssen ihre Aufschläge auf Grundlage des maximalen Großhandelsaufschlag berechnen.
Auf diesen Apothekeneinkaufpreis schlagen die Apotheken 3 Prozent auf. Unabhängig vom Preis des Medikaments werden außerdem pauschal 8,35 Euro aufgeschlagen. Der Verkauf niedrigpreisiger Medikamente und kleiner Abpackungen ist daher für die Apotheken besonders lukrativ.
Der Apothekenzuschlag ist nicht das letzte vorgeschriebene Preiselement. Pro verkauftem Medikament wird außerdem eine Pauschale von 16 Cent für den Notdienst und schließlich die Mehrwertsteuer hinzuaddiert. Da die Aufschläge alle gesetzlich vorgeschrieben sind, ergibt sich in jeder Apotheke der gleiche Bruttoverkaufspreis.
… Rückerstattung des Herstellerabschlags
Für die Apotheke ist allerdings die Preis-Odyssee noch nicht zu Ende. Die Hersteller patentgeschützter verschreibungspflichtiger Medikamente müssen den gesetzlichen wie auch den privaten Krankenkassen einen Rabatt von 7 Prozent gewähren – den Herstellerabschlag. Der Abschlag mindert nicht direkt den einheitlichen Abgabepreis der Hersteller an den Großhandel. Der Abschlag wird erst später von den Apotheken berechnet. So vermindert sich der Preis in der Apotheke um 7 Prozent des einheitlichen Abgabepreises, den die Großhändler an die Hersteller zu entrichten haben. Diesen Abschlag lassen sich dann die Apotheken von den Herstellern erstatten.
Ähnliches gilt für patentfreie verschreibungspflichtige Medikamente, sogenannte Generika. Hier wird grundsätzlich ein Zwangsrabatt von 10 Prozent auf den einheitlichen Abgabepreis von den Apotheken mit den Herstellern abgerechnet, sofern diese sich nicht auf eine Ausnahme mit den Krankenkassen geeinigt haben.
Weder die Großhändler noch die Apotheken haben ein Interesse daran, dass der Rabatt gleich beim Verkauf der Hersteller an den Großhandel abgezogen wird. Denn die 3,15-prozentige Großhandelsspanne und der 3-prozentige Apothekenaufschlag würden sich dann auf einen niedrigeren einheitlichen Abgabepreis beziehen und damit die Umsätze von Apotheken und Großhändlern geringer ausfallen lassen.
Apothekenabschlag: Kasse oder privat?
Wird das Medikament von einem gesetzlich Versicherten gekauft, müssen die Apotheken der Krankenkasse einen gesetzlichen Apothekenabschlag in Höhe von 1,77 Euro gewähren, wenn die gesetzliche Krankenkasse innerhalb von 10 Tagen die Rechnungen begleicht. Für die privaten Krankenkassen gilt der Apothekenabschlag nicht.
Mit Generika sparen
Krankenkassen haben zwei weitere Instrumente, um bessere Konditionen zu erhalten: Rabattverträge und Festbeträge. Einzelne Krankenkassen können mit den Herstellern individuelle Rabattverträge aushandeln. Diese rabattierten Produkte werden dann bevorzugt an die Versicherten der jeweiligen Krankenkasse abgegeben.
Für Generika gibt es außerdem häufig Festbeträge. Krankenkassen erstatten für therapeutisch gleichwertige Produkte höchstens einen Festbetrag. Möchten Patienten ein teureres Produkt verwenden, müssen sie die Differenz selbst tragen.
Rabatz um Rabatte
Die Preisgestaltung rezeptpflichtiger Medikamente ist für Außenstehende, gelinde gesagt, gewöhnungsbedürftig.
Rabatte für Apothekenkunden sind derzeit nicht möglich. Allerdings dürfen nach einem Urteil des europäischen Gerichtshof Versandapotheken aus dem europäischen Ausland verschreibungspflichtige Medikamente mit einem Rabatt an ihre deutschen Kunden liefern. Die örtlichen deutschen Apotheken führen zurecht an, dass es ungerecht sei, dass die ausländischen Versandapotheken ihren Kunden niedrigere Preise anbieten können und ihnen selbst es verboten ist.
Freie Preise nichts Neues
Leider haben sich die Apotheker dazu entschieden, für das Verbot der Versandapotheken zu lobbyieren, statt mehr Souveränität bei der Preisgestaltung einzufordern.
Die freie Preisgestaltung hat sich bereits bei den nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten bewährt. Seit 2004 können Apotheken deren Preise frei bestimmen. Der befürchtete ruinöse Wettbewerb blieb aus. Der Umsatz mit rezeptfreien Medikamenten erhöhte sich von 5,5 Milliarden Euro in 2004 auf 6,2 Milliarden Euro in 2016.
Preisregulierungen führen dazu, dass dezentral verstreutes subjektives Wissen anderen nicht zugänglich gemacht werden kann. In Marktpreise fließen über die Angebotsseite Informationen von Herstellern, Zulieferern, Händlern sowie Transporteuren und über die Nachfrageseite Informationen über die Präferenzen der Kunden ein.
So könnten flexible Preise dafür sorgen, dass Apotheken mit ihren Großhändlern individuelle Lieferarrangements vereinbaren, die den Bedürfnissen der Kunden besser gerecht würden. Kunden, die ein Präparat schnell benötigen, würden einen Aufschlag zahlen können. Kunden, die dagegen auch bis zum nächsten Tag warten können und wollen, werden mit einem niedrigeren Preis belohnt.
Leistungen direkt honorieren
Die Apotheker wenden gegen die Freigabe der Preise ein, dass die derzeitige Regulierung sie für bereitgestellte Dienstleistungen honoriert, die sonst nicht bezahlt würden. Ausgewählte Leistungen von Apotheken, die für wünschenswert erachtet werden, sich aber nicht in Marktpreisen für Medikamente widerspiegeln, sollten durch direkte Zahlungen vergütet werden und nicht durch Preisregulierung. Dies betrifft zum Beispiel die Bevorratung gewisser Medikamente oder auch den Notdienst. Diese Dienstleistungen könnten durch direkte Zahlungen der Krankenkassen gewährleistet werden.
Preise freigeben!
Der Widerstand der Apotheker und Großhändler gegen die Deregulierung ist verständlich, da die zum Teil abenteuerlich regulierten Preise für beständige Einnahmen sorgen und lästige Konkurrenten abhalten. Der Gesetzgeber sollte jedoch zum Wohle der Patienten auf diese Befindlichkeiten keine Rücksicht nehmen. Auch für verschreibungspflichtige Medikamente sollten die Preise freigegeben werden, damit „Apothekenpreise“ in der Apotheke der Vergangenheit angehören.
Erschienen bei: IREF.
Als Patient finde ich die Komplexität der Preisgestaltung für verschreibungspflichtige Medikamente verwirrend und frustrierend. Der Vorschlag des Autors, flexible Preise einzuführen, die individuelle Lieferarrangements ermöglichen, klingt sehr ansprechend. Es wäre großartig, wenn das System transparenter und patientenorientierter gestaltet werden könnte.