Als im Frühjahr der Bundesbankpräsident Jens Weidmann einen merklich niedrigeren Gewinn der Bundesbank für das Jahr 2016 verkündete, wurde dieser Umstand in den Medien sehr bedauert. Auch Finanzminister Schäuble zeigte sich nicht gerade begeistert. Laut Bundesbankgesetz ist der Gewinn der deutschen Zentralbank an den Bund abzuführen. Ein hoher Gewinn der Bundesbank scheint erstrebenswert zu sein, trägt dieser doch zur Finanzierung staatlicher Leistungen bei. Da durch den Transfer der Geldeinheiten von der Zentralbank an den Bund kein realer Wert geschaffen wird, ist die Vorteilhaftigkeit für den Bürger jedoch fraglich.
Bundesbankgewinne: Entstehung
Wie auch andere Unternehmungen erzielen Zentralbanken Umsätze mit den Gütern und Dienstleistungen, die sie ihren Kunden zur Verfügung stellen. Zentralbanken stellen das Gut „allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel“ bereit – wir nennen es Geld. Direkt kommen Zentralbanken nicht mit ihren Endkunden, den Haltern und Nutzern des Geldes, in Kontakt, sondern mit Geschäftsbanken, die das Geld weiterreichen.
Zentralbanken vergeben an Geschäftsbanken Kredite. Im Gegenzug hinterlegen diese Sicherheiten und zahlen Zinsen an die Zentralbanken. Die Zinseinnahmen der Zentralbanken aus diesen Krediten und Zinsen auf andere von ihnen gehaltene Vermögenswerte sind ihre Haupteinnahmequelle. Im Jahr 2016 beliefen sich die Einnahmen der Deutschen Bundesbank aus Zinsen auf ca. 3,7 Milliarden Euro.
Die Kosten für die Bereitstellung einer zusätzlichen Einheit Geld belaufen sich für eine Zentralbank, die nicht durch reale Vermögenswerte gedecktes Geld ausgibt, auf etwa null. Eine mit einem Monopol auf die Notenausgabe ausgestattete Zentralbank ist also in der komfortablen Situation, durch die Ausgabe zusätzlichen Geldes Einnahmen zu erzielen, während ihre Grenzkosten für die Notenausgabe nahe null sind. Historisch haben die potentiell hohen Gewinne monopolistischer Geldproduktion schon früh Begehrlichkeiten bei Vertretern des Staates geweckt.
In Deutschland entstehen Zentralbankgewinne nicht nur bei der Bundesbank. Die Bundesbank ist Teil des Systems der europäischen Zentralbanken. In diesem System werden Aufgaben zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken aufgeteilt. Einige Geschäfte und die damit verbundenen Einnahmen fallen in den Bereich der nationalen Zentralbanken, andere fallen in den der EZB. Der größte Teil der konventionellen und unkonventionellen Geldpolitik wird von den nationalen Notenbanken abgewickelt, daher sind deren Einnahmen auch ergiebiger als die der EZB. So kaufen und halten nationale Notenbanken im Rahmen der unkonventionellen Geldpolitik 92% der Wertpapiere. Über den Gewinn, den die nationalen Zentralbanken erwirtschaften, können sie unmittelbar verfügen. Der Gewinn der EZB wird nach einem festen Schlüssel auf die nationalen Zentralbanken verteilt. So speist sich der jährlich überwiesene Bundesbankgewinn an den Bund aus den direkten Gewinnen der Bundesbank und ihrem Anteil am Gewinn der EZB.
Auszahlung an den Bund erhöht Geldmenge
Schüttet die Deutsche Bundesbank Gewinne an den Bund aus, erhöht sich die umlaufende Geldmenge. Dadurch verlieren alle bereits umlaufenden Euro etwas an Kaufkraft. Mehr Geldeinheiten jagen dieselbe Anzahl von Gütern. Es kann zu einem Anstieg des Preisniveaus kommen.
Die potentiell expansive Wirkung der Ausschüttung des Bundesbankgewinns an die Bundesregierung ist bekannt. So wurde 1984 der Gewinn der Bundesbank nur ratenweise ausgezahlt, damit die Bundesbank die zusätzlich entstandene Geldmenge besser an anderer Stelle wieder „einsammeln“ konnte.
Ausschüttung erhöht Einfluss des Bundes
Obwohl der Begriff Zentralbankgewinn den Eindruck vermittelt, durch die Ausschüttung werde etwas „gewonnen“, wird durch den Transfer kein Wert geschaffen. Es wird nichts produziert, wenn die Bundesbank die Mittel an den Bund überträgt. Es stehen somit keine zusätzlichen Güter und Dienstleistungen bereit.
Durch die Ausschüttung des Gewinns der Bundesbank an den Bund wird jedoch zusätzliche Kaufkraft an den Bund übertragen. Der Bund hat somit relativ zu privaten Haushalten und anderen staatlichen Einrichtungen durch die Ausschüttungen mehr Einfluss auf die Verwendung von Ressourcen hierzulande.
Der Bund könnte dem entgegenwirken, indem er auf Steuereinnahmen oder Neuverschuldung im Umfang des Bundesbankgewinns verzichtet. Eine derartige Zurückhaltung war in den letzten Jahrzehnten allerdings nicht wahrzunehmen. Vielmehr werden die Gewinnausschüttungen von der Bundesregierung anscheinend schlicht als zusätzliche Steuereinnahmen wahrgenommen.
Mehr Staatseinfluss nicht wünschenswert
Zum einen sollte die Höhe des Gewinns der Bundesbank den Einfluss des Bundes auf die Ressourcenverwendung nicht beeinflussen, weil das Ausmaß (bundes)staatlicher Aktivität Resultat des demokratischen Prozesses sein sollte, der auch eine transparente Darlegung der Finanzierung staatlicher Aktivität ermöglicht.
Zum anderen ist ein durch den Bundesbankgewinn determinierter zusätzlicher Einfluss des Bundes aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive nicht wünschenswert, weil auch der deutsche Staat nicht gerade bekannt dafür ist, Ressourcen außerhalb seiner Kernaufgaben effizienter einzusetzen als private Akteure. Das ist nicht sonderlich überraschend. Private Akteure haben einen Anreiz, mit Ressourcen sorgsam umzugehen, da sie im Erfolgsfall Gewinne erzielen und bei Misserfolg Verluste erleiden. Politiker und Angestellte des Staates hingegen müssen in der Regel negative Konsequenzen nicht selbst tragen und profitieren materiell nicht von Erfolgen.
Bundesbankgewinn vernichten
Würde die Bundesbank den Jahresgewinn nicht an den Bund überweisen, sondern den Gewinn schlicht „vernichten“, würden alle Halter von Geld davon profitieren. Der Wert der gehaltenen Banknoten würde in diesem Fall nicht durch die zusätzlichen Euros geschmälert und der bundesstaatliche Einfluss auf die Verwendung von Ressourcen nicht ausgeweitet..
Liefe in Deutschland weiterhin die vornehmlich von Inländern gehaltene D-Mark um, wäre die „Vernichtung“ des Bundesbankgewinns aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive eindeutig zu empfehlen. Im Kontext der gemeinsamen Währung im Euro-Raum ist die Situation verzwickter.
Euro-Gleichgewicht: Bundesbankgewinn ausschütten
Von der Vernichtung des Bundesbankgewinns würden alle Eurohalter profitieren. Diese sind außerhalb Deutschlands vor allem im Eurozonenausland zahlreich.
Nutzt die Bundesregierung den Gewinn der Bundesbank, tragen die Einwohner Deutschlands als eine Gruppe von Eurohaltern nur einen Teil der Verluste durch Kaufkrafteinbußen. Zugleich profitieren sie als Einwohner potentiell zumindest teilweise vom stärkeren Einfluss auf die Ressourcenverwendung des Bundes. Denn dessen Kaufkraft erhöht sich nicht nur relativ zu privaten Haushalten und anderen staatlichen Einrichtungen in Deutschland, sondern auch relativ zu Akteuren der gesamten Eurozone.
Im gemeinsamen Währungsraum ist es folglich wahrscheinlicher, dass nicht nur aus der Perspektive der Staatsvertreter, sondern auch aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive der einzelnen Staaten die Ausschüttung der Zentralbankgewinne an die jeweiligen Regierungen wünschenswert ist.
Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht der Eurozone als Ganzes hingegen wäre es vorzuziehen, wenn keine der nationalen Notenbanken ihre Gewinne an ihre jeweilige Regierung überweisen würde. So würde der Staat in allen Mitgliedsländern seinen Einfluss mittels der Gewinne aus der Notenausgabe nicht ausweiten können und müsste sich auf die transparenteren Instrumente Steuereinnahmen und Schuldenaufnahme beschränken.
Eine europäische Lösung
Solange in den übrigen Mitgliedsländern Zentralbankgewinne an Regierungen transferiert werden, ist verständlich, dass die Bundesbank dies auch tut. Es muss also eine europäische Lösung her – wie es so oft heißt: Die Europäische Zentralbank könnte ihren Gewinn direkt vernichten und alle dem Eurosystem zugehörigen nationalen Zentralbanken könnten dazu verpflichtet werden, ihre Gewinne ebenfalls zu vernichten, um sie vor dem Zugriff von Politikern zu schützen. Wie so oft wird diese potentielle europäische Lösung vermutlich nur ein Gedankenexperiment bleiben.
Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.