Nach zähen Verhandlungen steht nun ein Kompromiss für die Neugestaltung der zukünftigen Bund-Länder-Finanzen. Die Ministerpräsidenten haben sich im Wesentlichen mit ihren Forderungen durchgesetzt – kein Bundesland muss mit weniger Geld auskommen. Der derzeit gültige Länderfinanzausgleich sowie der Solidarpakt II laufen Ende 2019 aus. Es bestand also Handlungsbedarf. Der oft kritisierte Länderfinanzausgleich wird zum Jahr 2020 in seiner jetzigen Form abgeschafft. An seine Stelle tritt ein neuer Umverteilungsmechanismus. Zudem begeben sich die Bundesländer in eine noch stärkere Abhängigkeit von Finanzzahlungen des Bundes und treten im Gegenzug Kompetenzen an ihn ab. Föderalistische Elemente werden so weiter zurückgebaut.
Nach dem Umsatzsteuervorausgleich ist vor dem Länderfinanzausgleich
Im bisherigen System findet ein Teil der Umverteilung des Steueraufkommens bereits im sogenannten Umsatzsteuervorausgleich statt – vor dem eigentlichen Länderfinanzausgleich. So wird für jedes Bundesland die Finanzkraft pro Einwohner ermittelt und in Relation zur Finanzkraft des Bundesdurchschnitts gesetzt. Anschließend werden bis zu 25 Prozent des Umsatzsteueraufkommens auf die finanzkraftschwachen Länder verteilt. Im Jahr 2017 waren es 8,4 Milliarden Euro.
Der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne findet nach diesem Schritt statt. Die berechnete Finanzkraft wird zu Gunsten der Stadtstaaten und dünnbesiedelter Flächenländer angepasst und dann im Länderfinanzausgleich angeglichen. Im Jahr 2017 wurden so über 11 Milliarden Euroumverteilt.
Aktuell: Progressive Angleichung
Die Umverteilung im Länderfinanzausgleich hat einen progressiven Verlauf. Bei einer Finanzkraft unter 80 Prozent des Bundesdurchschnitts erhalten die Nehmerländer 75 Prozent der Differenz. Der Ausgleich sinkt bis zu einer Finanzkraft von 93 Prozent des Bundesdurchschnitts linear auf 70 Prozent. Der Ausgleich sinkt linear schließlich auf 44 Prozent, bis ab 100 Prozent des Bundesdurchschnitts ein Land nicht mehr Mittel aus dem Ausgleich erhält, sondern Mittel einzahlt.
Für die Nettozahlerländer verhält es sich spiegelbildlich. Die Grenzabschöpfung steigt linear von 44 auf 70 Prozent, wenn ein Bundesland bis zu 107 Prozent des Bundesdurchschnitts verfügt und steigt linear ab einer Finanzkraft von 120 Prozent auf 75 Prozent.
Schließlich werden Bundesländern, deren Finanzkraft nach dem Länderfinanzausgleich noch unter 99,5 Prozent des Bundesdurchschnitts liegt, durch allgemeine Bundesergänzungszuweisungen seitens des Bundes unterstützt. Die Differenz zu 99,5 Prozent der durchschnittlichen Finanzkraft wird so zu 77,5 Prozent ausgeglichen. Diese Bundeszuschüsse an finanzschwache Bundesländer summierten sich im Jahr 2017 auf 4,5 Milliarden Euro.
Die östlichen Bundesländer erhalten außerdem Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen im Rahmen des Solidarpakts II und als Ausgleich für Sonderlasten aus struktureller Arbeitslosigkeit. Kleine, finanzschwache Bundesländer erhalten Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen, um die relativ höheren Kosten politischer Führung zu bestreiten.
Neue Bund-Länder-Finanzen
Der Umsatzsteuervorausgleich in seiner jetzigen Form und der eigentliche Länderfinanzausgleich werden abgeschafft. Ab 2020 erfolgen keine direkten Zahlungen mehr von einem Bundesland an ein anderes.
Im gefundenen Kompromiss wird den Unterschieden in der Finanzkraft durch die Verteilung der Umsatzsteuereinnahmen und direkte Zuwendungen des Bundes begegnet. Bei der Ermittlung der Finanzkraft werden weiterhin die Stadtstaaten und die dünn besiedelten Flächenländer bevorteilt. Außerdem wird Bundesländern mit finanzkräftigen Gemeinden eine höhere Finanzkraft bescheinigt als bisher.
Etwas bessere Anreize für Geberländer
Während im jetzigen System über den Länderfinanzausgleich die Schließung der Finanzkraftlücke progressiv gestaltet ist, gibt es ab 2020 einen einheitlichen Satz von 63 Prozent für den Ausgleich der Finanzkraft. Es werden also 63 Prozent der Abweichung vom Mittelwert der Finanzkraft der Bundesländer ausgeglichen. Länder, die eine überdurchschnittliche Finanzkraft haben, bekommen dementsprechend weniger Einnahmen aus der Umsatzsteuer.
Die Vereinheitlichung der Grenzbelastung des Finanzausgleichs auf 63 Prozent wirkt sich positiv auf die Anreize der Nettozahlerländer aus, durch geeignete Politikmaßnahmen höhere Einnahmen zu erzielen. Im bisherigen Länderfinanzausgleich führten Einnahmesteigerungen von einem Euro zu einer Zahlung von bis zu 75 Cent an andere Bundesländer. Im zukünftigen Ausgleich über die Umsatzsteuer liegt die Grenzbelastung der Geberländer bei 63 Cent pro Euro Mehreinnahmen. Diese Belastung erscheint allerdings nicht mehr transparent in den Landeshaushalten, sondern erfolgt weniger transparent über die Verteilung der Umsatzsteuereinahmen. Die Tagesschau berichtete im Jahr 2016 treffend, dass der Bund den Vorschlag, den Finanzkraftausgleich über die Verteilung der Umsatzsteuer zu organisieren, noch als intransparent ablehnte.
Schlechtere Anreize für Nehmerländer
Für die Nettoempfängerländer gibt es keinen stärkeren Anreiz, die eigene Finanzkraft zu erhöhen. Zwar entfallen die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen für die Ostdeutschen Bundesländer (Solidarpakt II) ab dem Jahr 2020, dennoch erhöhen sich die direkten Zahlungen des Bundes an finanzschwache Länder insgesamt.
Die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen bleiben erhalten und erhöhen sich. Ab dem Jahr 2020 wird nicht mehr die Differenz zu 99,5 Prozent der durchschnittlichen Finanzkraft zu 77,5 Prozent ausgeglichen, sondern die Differenz zu 99,75 Prozent der durchschnittlichen Finanzkraft zu 80 Prozent. Dieser höhere Ausgleich stellt sicher, dass durch die Neustrukturierung kein Land weniger Geld erhält, und führt dazu, dass es sich für die Empfängerländer der allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen noch weniger als bisher lohnt, eigene Einnahmen zu erschließen. Andere Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen für den Ausgleich für Sonderlasten aus struktureller Arbeitslosigkeit oder den Ausgleich der Kosten politischer Führung bleiben ebenso erhalten.
Im Ergebnis könnten die stärkeren Anreize zur fiskalischen Solidität für die Geberländer sowie die schwachen Anreize der Nehmerländer dazu führen, dass die Finanzkraftzahlen der Bundesländer weiter auseinanderdriften.
Verantwortung? Nein danke.
Bund und Länder haben sich auf einen fragwürdigen Kuhhandel geeinigt. Bisherige Geber- und Nehmerländer können über zusätzliche Mittel verfügen. Der Bund kommt für die notwendigen Transfers im Tausch für eine Ausweitung seiner Kompetenzen auf. Er erhält neue Eingriffsrechte in den Bereichen Fernstraßen, Steuerverwaltung, Bildungsinvestitionen und Online-Angebote der Verwaltungen. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln verzichtet der Bund zugunsten der Länder ab dem Jahr 2020 jährlich auf insgesamt 3 Prozent seiner Steuereinnahmen.
Der von den Ministerpräsidenten eingeschlagene Weg ist nachvollziehbar. Politiker können ein Interesse daran haben, Entscheidungsgewalt zu delegieren, um Verantwortung abzutreten. Für die Ministerpräsidenten ist es attraktiv, potentiellen Wählern zusätzliche Leistungen in Aussicht zu stellen, ohne ihnen zugleich die Rechnung dafür vorlegen zu müssen. Für eine mögliche höhere Steuerbelastung können die Landespolitiker in Zukunft in einem noch größeren Umfang den Bund verantwortlich machen. So profitieren Politiker in den Ländern von der intransparenten Finanzierung staatlicher Ausgaben.
Die Vorzüge dezentraler Entscheidungen
Aus Sicht der Bürger ist diese Entwicklung enttäuschend, da regional relevante Entscheidungen zukünftig häufiger auf Bundesebene gefällt werden.
Werden Entscheidungen dezentral gefällt, können unterschiedliche lokale Gegebenheiten und Präferenzen besser eingeschätzt und berücksichtigt werden. Schon innerhalb von Bundesländern gibt es erhebliche Unterschiede, auch innerhalb der Verwaltung. So werden in Schwaben Verwaltungsakten mit Hilfe von Ordnern archiviert, während in Baden die sogenannte „Badische Aktenheftung“ angewandt wird.
Bundesstaatliche Vereinheitlichungen lassen nicht nur regionale Besonderheiten unberücksichtigt, sondern verhindern auch Experimente, die behilflich sein können, die beste Lösung für ein Problem zu finden. So mag die Gestaltung eines Online-Verwaltungsportals in manchen Bundesländern besser glücken als in anderen. Werden dezentral unterschiedliche Entscheidungen getroffen, können die Bundesländer voneinander lernen. Bei zentralen Bundesentscheidungen hingegen nicht.
Schließlich ist es für die Bürger schwerer, politische Verantwortlichkeit zuzuordnen und demokratische Kontrolle über staatliche Aktivitäten auszuüben, wenn die Verantwortung für die Finanzierung und Durchführung staatlicher Aktivitäten nicht zusammenfallen.
Aus diesen Gründen wäre es begrüßenswert, wenn mehr Entscheidungen über staatliche Ausgaben und Einnahmen dezentral auf Ebene der Länder oder ihnen nachgeordneten Gebietskörperschaften getroffen würden. Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ist leider ein Schritt in die entgegengesetzte Richtung.
Erschienen bei: IREF. Mitautor: Dr. Alexander Fink.